„Krieg dem Kriege“ als Friedenserklärung

Cover "Krieg dem Kriege"

Cover „Krieg dem Kriege“

„Die Fotografien der Schlachtfelder, dieser Abdeckereien des Krieges, die Fotografien der Kriegsverstümmelten gehören zu den fürchterlichsten Dokumenten, die mir jemals unter die Augen gekommen sind“, schrieb Kurt Tucholsky in der Weltbühne, nachdem der Band 1924 erstmals  erschienen war. Seitdem hat Ernst Friedrichs „Krieg dem Kriege“ eine Vielzahl von Neuauflagen erlebt. Jetzt ist es beim Christoph Links Verlag wieder erschienen, herausgegeben vom Anti-Kriegs-Museum Berlin.

Als die erste Auflage erschien, verbot die Berliner Polizei den Arbeiterbuchhandlungen, Bilder aus dem Buch in ihren Schaufenstern zu zeigen. Die Dokumente der Grausamkeiten, des Elends, der Verstümmelung und Vernichtung während des Weltkriegs sollten unsichtbar bleiben. Bilder, die Ernst Friedrich hinter die Schaufensterscheibe in der Parochialstraße 29 in Mitte hängte, entfernte die Polizei mit dem Bajonett. 1925 eröffnete der Kriegsdienstverweigerer Ernst Friedrich dort sein Antikriegsmuseum, in dem  er neben Kriegsgerät, Spielzeug und künstlerischen Arbeiten von Käthe Kollwitz oder Otto Dix auch Fotografien aus seinem Buch „Krieg dem Kriege“ zeigte. Friedrich klärte auf und wollte vor allem die Jugend mit seiner Botschaft erreichen. Die gegen ihn angestrengten Prozesse wurden zur Bühne für seine Ideen.

Das Buch war durchgehend viersprachig in deutsch, französisch, englisch und holländisch verfasst, Ausdruck des übergreifenden Friedenswillens, der sich gegen die allgegenwärtige Kriegsverherrlichung der damaligen Zeit richtete und gegen die Versuche, das Kriegsende umzudeuten und eine Dolchstoßlegende zu stricken. „Krieg dem Kriege“ wurde weltweit hundertausendfach verkauft.

Die Nazis verfolgten Ernst Friedrich, sein Museum wurde geschlossen, er selbst verhaftet. Ende 1933 gelang ihm die Flucht, er tauchte in Frankreich unter, wo er nach dem Ende des Kriege seinen Traum von einer Insel des Friedens wieder aufgriff und eine Begegnungsstätte für Kinder und Jugendliche einrichtete.
1967 starb Ernst Friedrich in Frankreich, zu seinem 15. Todestag am 2. Mai 1982 eröffnete sein Enkel Tommy Spree in Berlin wieder ein Antikriegs-Museum, das heute in der Brüsseler Straße 21  in Mitte an den Gründer Ernst Friedrich und seine Sammlung erinnert und den antimilitaristischen und friedenspädagogischen Auftrag weiter lebendig hält.

Die Neuauflage von „Krieg dem Kriege“ im Ch. Links Verlag macht das Werk, das zuletzt 2004 bei DVA erschien, jetzt wieder zugänglich. Auf 250 Seiten sind die von Ernst Friedrich gesammelten Fotos und Texte zu sehen. Plakative Bildgegenüberstellungen wie die des Segelsport treibenden Königs Georg von England und des Proletariers mit Armprothese sind dabei, Fotos der siegessicheren Soldaten vor der Schlacht und eines Leichnams danach. Aufnahmen, die die Erschossenen im Schützengrabe zeigen, kontrastiert mit Zitaten wie „Herrlich ist das Soldatenleben“.

Viele Aufnahmen zeigen die Zerstörungen des Krieges, die Gräber, die Hinrichtungen durch die Armee. Bilder, die anderswo nicht zu sehen waren und die eine in der damaligen Zeit unbekannte Seite des Krieges sichtbar machen und ins Bewusstsein rücken.
Der Faksimile-Nachdruck des Originals auf hochwertigem Papier wird ergänzt durch eine Einführung von Gerd Krumeich, der für eine historische Einordnung  sorgt und  die Wirkung des Buches beschreibt. Zudem liefert er Fakten und Hintergründe zu den Verletzungen und Verstümmelungen, die auf den Fotografien  zu sehen sind, deren Opfer aber nach dem 1. Weltkrieg häufig aus dem Stadtbild verbannt waren.  Tommy Spree schildert in einem Beitrag das bewegte Leben seines Großvaters und die Überzeugung, für die er eintrat.

Ernst Friedrich, Krieg dem Kriege, neu herausgegeben vom Anti-Kriegs-Museum  Berlin, Verlag Christoph Links Verlag, 2015, 320 S., 214 Abbildungen s/w; ISBN: 978-3-86153-828-8

Über Ulrich Horb

Jahrgang 1955, Journalist und Fotograf in Berlin
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