Motive bot Berlin immer reichlich. Und die Berliner Fotografen suchten sich dabei die unterschiedlichsten Ausschnitte heraus. Sie dokumentierten Gebäude und Industrieanlagen, Parks und Straßen, sie experimentierten mit Licht und Bewegung, beobachteten den Alltag in der Stadt, porträtierten bekannte und unbekannte Berlinerinnen und Berliner. Einen Querschnitt durch die Fotografie in Berlin zwischen 1860 und 1982 stellte die Berlinische Galerie 1982 in ihrem Übersichtskatalog „Berlinfotografisch“ vor.
Janos Frecot, Kulturhistoriker und von 1978 bis 2002 Leiter der Photographischen Sammlung an der Berlinischen Galerie, beschreibt die Zurückhaltung, mit der die neue Kunstform anfangs betrachtet wurde: „So wurde die Fotografie als die jüngste der grafischen Disziplinen eher unter die Dokumente oder das Kunsthandwerk als unter die Kunstwerke eingereiht.“ Die von ihm aufgebaute Sammlung änderte diese Sichtweise. „Wenn nun die Berlinische Galerie mit der Ausstellung und dem Katalog ‚Berlin fotografisch‘ erstmals ihre fotografische Sammlung der Öffentlichkeit vorstellt, so stellt dies einen ersten Schritt in Richtung einer ernsthaften und breit angelegten Beschäftigung mit dem Medium Fotografie innerhalb der Berliner Sammlungen und Museen dar“, so Frecot 1982.
Die Fotografische Sammlung, die Frecot 1982 präsentierte, verstehe sich „als Arbeitsinstrument, als Beispielsammlung und als Baugrube und Steinbruch für eine zu schreibende Geschichte der Fotografie in Berlin“, so Frecot. Und dazu gehörten u.a. die Entwicklung der Ateliers und des Handwerks, der Fototechnik und -industrie, die Auswirkungen auf die grafischen Künste und die Illustrationstechnik, die Anwendung in der Wissenschaft und Forschung, in Zeitschriften und Büchern, die Vereins- und Publikationstätigkeit der Fotografen.
Der Katalog gibt Einblicke in die Entwicklung der Fotografie und die Sammlungsschwerpunkte, zu denen etwa die Berliner Nachkriegszeit mit Motiven von Seidenstücker, Henri Ries oder Herbert Tobias gehören. Im Bestand wurden 1982 rund 2400 Abbildungen verzeichnet, der damals schon erworbene umfangreiche Nachlass des Bildjournalisten Erich Salomon war damals allerdings noch nicht ausgewertet. Knapp vierzig Jahre später verweist die Berlinische Galerie stolz darauf, dass sie mit rund 83. 000 Fotografien eine der bedeutendsten Fotografischen Sammlungen Deutschlands besitzt. „Porträt,- Architektur,- und Stadtfotografie bilden die zentralen Schwerpunkte, aber auch Werbe- und Modefotografie, bildjournalistische Arbeiten, Fotomontagen, Fotogramme und fotografische Konzeptarbeiten gehören dazu.“
In „Berlinfotografisch“ werden nicht nur die Aufnahmen im Bestand akribisch mit Motiv und Aufnahmejahr aufgelistet, zu vielen Fotografinnen und Fotografen finden sich auch biographische Angaben. Neben Motiven aus der Heimatstadt sind Aufnahmen aus der Umgebung oder dem Ausland vertreten. Nur ein kleiner Teil kann im Abbildungsteil wiedergegeben werden.
Hatte die Fotografie anfangs noch Aufgaben der Malerei übernommen und die schnelle Entwicklung der Stadt festgehalten, so hielten später künstlerische Experimente und der subjektive Blick Einzug. Der Katalog bietet stadthistorische Dokumente, festgehalten sind aber auch wichtige Ereignisse und Begegnungen, private Einblicke.
antiquarisch
Janos Frecot, Berlinfotografisch – Fotografie in Berlin 1860 – 1982, Katalog zur Ausstellung, Berlin 1982, 244 Seiten, zahlreiche Abbildungen, ISBN: 3886020630