Geschichte geht immer weiter: 1955 hatte Edmund Fischer den Band „Erzählungen aus der Geschichte Charlottenburgs“ erstmals veröffentlicht, geschrieben wohl vor allem für den Einsatz im Heimatkunde-Unterricht. Walter Eckler hat die Arbeit später fortgeführt, Gisela Scholtze hat den Band 1987 neu bearbeitet und erweitert. Er vereint viele kleine Geschichten, Sagen und Erzählungen aus der Vergangenheit Charlottenburgs, angefangen in der Vorzeit, als Mammuts das Land bevölkerten.
Fundstücke aus vergangenen Zeiten sind häufig Zufällen zu verdanken. So auch in Charlottenburg. 1881 war der Gärtner von Werner von Siemens, dem Besitzer eines großen Anwesens an der damaligen Berliner Straße und heutigen Otto-Suhr-Allee, bei Gartenarbeiten auf eine alte Grabanlage gestoßen. Grabbeigaben waren u.a. Töpfe und kleine Näpfe, Ringe und Nadeln aus Bronze. Weitere Urnen fand man in einem Garten an der Marchstraße, Werkzeuge aus der Bronzezeit kamen beim Bau des Schlosses oder am Ufer des Lietzensees zum Vorschein.
Das neu gegründete Nonnenkloster St. Marien kam 1239 durch eine Schenkung der askanischen Markgrafen Johann I. und Otto III. in den Besitz umfangreicher Ländereien zwischen Berlin und Spandau. Dazu gehörte auch der Bauernhof Lusze, wendisch für Sumpf, der etwa an der Stelle des heutigen Alt-Lietzow liegt. Dort wollten die Nonnen ein ganzes Dorf errichten und warben dafür Kolonisten an, die das Land urbar machen sollten. Gut 200 Jahre wurde das Dorf Lutze so bewirtschaftet, dann kam die Zeit der Reformation, Brandenburg wurde unter Kurfürst Joachim II. 1539 evangelisch, das Kloster wurde aufgelöst. Im Dreißigjährigen Krieg wurde auch Lutze von Zerstörung und Plünderung betroffen, nur fünf Bauern überlebten den Krieg.
Berlin war mit Spandau durch eine Heerstraße verbunden, die vom Spandauer Tor in Berlin durch die Jungfernheide bis in die Nähe des Juliusturms in Spandau führte. Südlich der Straße lag der „Hintere Tiergarten“, ein umzäuntes Jagdrevier des Kurfürsten. Ein Zaunsetzer, der unweit des Dorfes wohnte, sorgte für die regelmäßige Instandhaltung. Eine gradlinige Verbindung von Berlin nach Lütze, wie der Ort mittlerweile genannt wurde, entstand erst um 1700 mit der Fortführung der Straße Unter den Linden nach Westen.
Kurfürst Friedrich III. schenkte Lütze seiner Gattin Sophie Charlotte, die das Schloss Lützenburg an der Spree als Sommerresidenz errichten ließ. Bei Festen bot das Schloss aber wenig Übernachtungsmöglichkeiten. Mit dem Bau eines Hauses in der Nähe des Schlosses durch den Oberstallmeister und die Errichtung eines Gasthauses begann ein neues Kapitel der Charlottenburger Geschichte. Die Verbindung nach Berlin wurde verlängert, die Straße wurde mit 600 Laternen erleuchtet.
In den „Erzählungen aus der Geschichte Charlottenburgs“ wird nicht nur anschaulich die Gründungsgeschichte dargestellt. Es wird von den Sagen um den Lietzensee und vom Witzlebenpark berichtet, die Geschichte vom „Nassen Dreieck“ erzählt, einem Gebiet, das als Karpfenteichwiese genutzt wurde, um später dann bebaut zu werden, wobei der sumpfige Untergrund den Häusern keinen sicheren Halt bot. Erzählt wird vom Wachstum der Stadt Charlottenburg, vom Befehl des Soldatenkönigs, die Stadt wieder zum Dorf zu erklären, um höhere Steuereinnahmen zu erzielen, von der Arbeit der Bauern, der Nutzung des Schlosses. Eng verbunden ist die Charlottenburger Geschichte mit einer Liebesgeschichte: Die Trompetertochter Wilhelmine Encke, Geliebte des Königs Friedrich Wilhelm II., bezog am Spreeufer in der Nähe des Schlosses ein prachtvolles Domizil. Als Gräfin Lichtenau stritt sie sich immer wieder mit den Charlottenburger Bürgerinnen und Bürgern.
Berichtet wird vom Pferdemarkt und vom Spandauer Bock, dem beliebten Ausflugsort der Charlottenburgerinnen und Charlottenburger, von der elektrischen Beleuchtung, die das Haus von Werner von Siemens erhellte, von der Nutzung der Fürstenbrunner Quelle, von der Wasserversorgung und der Abwasserentsorgung, von der späten Installation der Straßenbeleuchtung, den drei Rathäusern Charlottenburgs, von der Zeit des Zweiten Weltkriegs und dem Mahnmal Plötzensee.
Der Band enthält mehrere Landkarten und zeitgenössische Stiche und Ansichten Charlottenburgs.
Erzählungen aus der Geschichte Charlottenburgs, begonnen von Edmund Fischer. Fortgef. von Walter Eckler. Neu bearb. u. erw. von Gisela Scholtze, Ed.Colloquium V.Spiess 1987, ISBN: 3767806835 (ISBN-13: 9783767806832)