Berlins Boden hat einiges längst Vergessene wieder freigegeben: Skelette von Tieren, Kunsthandwerk, Gebrauchsgegenstände vergangener Jahrhunderte, aber auch den Stacheldraht eines KZ-Lagers. Aufbewahrt werden die Funde im Museum für Vor- und Frühgeschichte. Ein großformatiger Bildband aus dem Elsengold-Verlag zeigt jetzt 50 ausgewählte Objekte aus 10.000 Jahren Geschichte im Raum Berlin.
Noch bevor es Berlin gab, gab es Elche. Ein Skelettfund vom Hansaplatz, bei U-Bahnarbeiten 1956 entdeckt, ist das erste der 50 ausführlicher beschriebenen Objekte. Es erzählt auch vom Wandel der Landschaft, hervorgerufen durch Klimaveränderungen. Der Schädel eines Löwen, gefunden am Alexanderplatz, zeugt von der Artenvielfalt um 10.000 bis 12.000 vorchristlicher Zeit.
Claudia Maria Melisch, die die Ausgrabungen am Petriplatz in Mitte leitet und Matthias Wemhoff, Direktor des Museums für Vor- und Frühgeschichte, haben den Band zur „Archäologie Berlins“ vorgelegt. Die Sammlung, im Neuen Museum auf der Museumsinsel beheimatet, ist weltweit eine der größten, ihre Bestände geben Einblicke in unterschiedlichste Kulturen von der Altsteinzeit bis ins Hochmittelalter. Die Archäologie Berlins macht nureinen kleinen Teil aus.
Großformatige Fotos geben einen Eindruck von den Ausstellungsräumen der verschiedenen Zeitperioden, einführende Texte beschreiben Zeitalter und beherrschende Themen sowie die Situation im Berlin-Brandenburger Raum. Jeweils auf einer Doppelseite sind schließlich die 50 Objekte und ihre Fundgeschichte beschrieben.
Darunter befinden sich Opfergaben aus der Spree, die 1881 in Spandau entdeckt wurden, tausend Jahre alte Trinkgefäße aus Lichterfelde, ein römischer Soldatengott, der in Lichtenberg gefunden wurde, ein slawischer Taschengott aus Schwedt, die vergoldete Ausrüstung eines Spandauer Ritters, mittelalterliche Spardosen, am Petriplatz gefunden, aber auch ein großer Blasenstein, der in einem Männergrab aufgefunden wurde und wohl einst für heftige Schmerzen gesorgt haben dürfte. Eine blaue Ballonflasche, die im 19. Jahrhundert mit englischem Gin gefüllt war, fand sich im Boden der Fischerinsel, wo schon vor dem inzwischen abgerissenen Ahornblatt eine Gaststätte war.
Und schließlich hilft Archäologie, selbst die jüngste Geschichte sichtbar zu machen, etwa mit der Stacheldrahtrolle, die 1992 auf dem Gelände des ehemaligen KZ-Außenlagers Berlin-Lichterfelde ausgegraben wurden. Eigentlich wurde hier nach Überresten einer jungbronzezeitlichen Siedlung gegraben.
Die Funde zeigen die vielfältigen Einflüsse, die in der Region gewirkt haben, sie geben Zeugnis von Wanderungsbewegungen, auch von modischen Vorlieben. Noch gibt es viele Wissenslücken. Das Zusammenwirken der Archäologen mit anderen Wissenschaftsdisziplinen trägt inzwischen immerwieder zu neuen Erkenntnissen bei.
Der großzügig gestaltete Band, der einen ausführlichen und ungestörten Blick in die Vitrinen gestattet, wird durch eine Karte der Fundorte und einen Lageplan der Objekte im Museum ergänzt. Er macht Lust auf einen realen Museumsbesuch.
Claudia Maria Melisch, Matthias Wemhoff, Archäologie Berlins, 50 Objekte erzählen 10.000 Jahre Geschichte, Elsengold Verlag, ca. 160 Seiten, 21 x 28 cm, rund 70 Abbildungen Hardcover mit Schutzumschlag, ISBN 9783944594378, EURO 24,95