Piefke, Fritz

geboren am 9. Februar 1907 in Rixdorf
gestorben am 27. August 1988 in Ostrach

Sein Engagement war vielfältig. Er war Bezirksverordneter in Neukölln, Abgeordneter, er leitete den sozialdemokratischen „Kompaß-Verlag“, der die Wochenzeitung Berliner Stimme herausgab. 1977 verlieh ihm Berlin die Stadtältestenwürde.

Nach dem Besuch der Volksschule absolvierte Friedrich (Fritz) Piefke eine Lehre als Schriftsetzer. Mit 15 Jahren trat er der Sozialistischen Arbeiter-Jugend (SAJ) bei, 1925 auch der SPD. Er besuchte die Meisterschule des grafischen Gewerbes, arbeitete als kaufmännischer Angestellter.
Fritz Piefke gehörte der SPD-Abteilung 92 in Neukölln an, mit über 1.400 Mitgliedern eine der größten Abteilungen der Berliner SPD. Nach der Machtübernahme durch die Nazis und dem Verbot der SPD hielten einige Mitglieder den Kontakt miteinander, vor allem ehemalige Mitglieder der SAJ trafen sich weiter im Rahmen von Singegruppen. Im November 1933 nahmen Gestapo-Beamte eine Hausdurchsuchung bei Fritz Piefke vor und verhafteten ihn, so berichtet Rainer Sandvoß in seinem Buch über den Widerstand in Neukölln: „Er sollte ihnen die Mitgliederkartei und das Abteilungsbanner ausliefern. Beides hatte er aber noch rechtzeitig auf einem Grundstück in Lindow in Sicherheit bringen können. Auch bei seinem Freund Fritz Bühl suchte man vergeblich. Beide Genossen dürfte ein Denunziant angezeigt haben.“
1942 wurde Fritz Piefke zur Wehrmacht eingezogen, 1945 kam er in Kriegsgefangenschaft, aus der er 1946 nach Berlin zurückkehrte.
Piefke wurde zunächst politischer Sekretär der SPD im Bezirk Treptow, im Oktober 1946 wechselte er als kommunalpolitischer Sekretär in den Landesverband. 1950 wurde er Mitbegründer der sozialdemokratischen Wochenzeitung „Berliner Stimme“, die aus dem von Willy Brandt geleiteten Berliner Stadtblatt hervorging. Bis 1973 leitete Piefke den sozialdemokratischen Kompaß-Verlag.
Er war von 1951 bis 1954 ehrenamtlicher Beisitzer beim Oberverwaltungsgericht Berlin. Bei der Berliner Wahl 1954 wurde Piefke in die Bezirksverordnetenversammlung von Neukölln gewählt, von 1963 bis 1975 gehörte er dem Abgeordnetenhaus von Berlin an. Ab 1980 lebte er in Baden-Württemberg.

In der Berliner Stimme Nr. 24/71 vom 12. Juni 1971 erschien aus Anlass seines 25jährigen hauptamtlichen Wirkens für die Partei eine Würdigung:

Ein Mann der ersten Stunde
Fritz Piefke, ein Sozialdemokrat von altem Schrot und Korn, arbeitet seit 25 Jahren für die Partei
Vor 25 Jahren, am 15. Juni 1946, begann ein Mann seine hauptberufliche Tätigkeit im Berliner Landesverband der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, dessen Wirken bis heute einen nachhaltigen Einfluss auf die Politik der Organisation ausgeübt hat: Fritz Piefke. Der „Demokrat aus Leidenschaft“, wie die „Berliner Stimme“ den Jubilar anlässlich seines 60. Geburtstages am 9. Februar 1967 nannte, stellte sich der SPD vor 25 Jahren – gerade erst aus der Kriegsgefangenschaft heimgekehrt – als politischer Sekretär im Bezirk Treptow zur Verfügung.
Mit Tatkraft und Einfallsreichtum bewältigte er die umfangreiche und komplizierte Organisation zur Vorbereitung der ersten freien Wahlen nach dem verlorenen zweiten Weltkrieg am 20. Oktober 1946. Schon ein halbes Jahr später holte der Landesverband Fritz Piefke als kommunalpolitischen Sekretär in die Zietenstraße. Bis 1968 war er zuständig für den Kommunalpolitischen Ausschuss, die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristen und den Fachausschuss für Rechtspolitik. Mit Energie widmete sich Fritz Piefke der kommunalpolitischen Arbeit vornehmlich in den Bezirken.
Im Jahre 1950 gründete Fritz Piefke gemeinsam mit Kurt Mattick und Fritz Brühl den „Kompaß“ und die „Berliner Stimme“. Der „Kompaß“ begann in einer Halbruine in der Bülowstraße ohne Finanzielle Mittel. Der allmähliche Aufstieg begann mit der Verlegung von 20 000 Berliner Grundgesetzen. Inzwischen wurden 600 000 Exemplare davon verkauft. Der Umsatz des „Kompaß“ beträgt heute fast 1 Million DM.
Seit 1963 ist Fritz Piefke Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin. Vier Jahre lang zuvor hatte er der Bezirksverordnetenversammlung Neukölln angehört. Niemals drückte er sich, wenn man ihn bat, Verantwortung zu übernehmen. 1951 bis 1954 nahm er neben seinen zahlreichen Parteifunktionen das Amt eines Beisitzers am Oberverwaltungsgericht wahr. Seit fast 10 Jahren ist er Geschäftsführer des Berliner Jugenderholungswerkes e.V. Vor über 20 Jahren gründete Fritz Piefke den Neuköllner „Turnverein TSC 1893“.
In den 48 Jahren seiner Parteimitgliedschaft hat Fritz Piefke vom Unterkassierer an fast alle Funktionen bekleidet, die die Organisation zu vergebe hat. Heute, inzwischen 64 Jahre alt, steht der gelernte Schriftsetzer noch lange nicht am Ende seines durch und durch politischen Lebensweges. Wie nur wenige hat er sein Leben der Sozialdemokratie gewidmet.
Die Partei wünscht dem Jubilar noch viele Jahre geistiger und körperlicher Frische. Mögen auch in Zukunft die angenehmen Erlebnisse, die Fritz Piefke in seiner Organisationsarbeit hat, die Schwierigkeiten und Mühen vergessen lassen, die sie immer begleiten.
bur-

Quellen:
– Hans-Rainer Sandvoß, Widerstand 1933 – 1945 Neukölln, Hrsg. Gedenkstätte Deutscher Widerstand, 2. Auflage Berlin 2019, S. 72
– Berliner Stimme, Nr. 24/71 vom 12. Juni 1971

 

 

Über Ulrich Horb

Jahrgang 1955, Journalist und Fotograf in Berlin
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