Geboren am 16. September 1942 in Mittersill, Österreich. Verstorben am 30. August 2020 in Berlin
Sie galt als das soziale Gewissen der Stadt, als zugewandte und nahbare Politikerin und wichtige Stimme ihrer Partei. „Ihr sozialpolitisches wie auch bildungspolitisches Engagement war herausragend und von tiefer Menschlichkeit geprägt“, so der damalige Bezirksbürgermeister von Charlottenburg-Wilmersdorf Reinhard Naumann 2020 in einem Nachruf.
Ingrid Stahmer, geb. Ulrici, wurde 1942 in Mittersill bei Zell am See geboren, 1962 machte sie in Bremen Abitur.
1964 trat sie in die SPD ein. Nach ihrer Ausbildung zur Sozialarbeiterin war sie von 1966 bis 1971 im Bezirksamt Charlottenburg beschäftigt. Ihr großes politisches Vorbild in der Kinder- und Jugendarbeit war die frühere Jugendsenatorin Ilse Reichel-Koß. 1971 wechselte Ingrid Stahmer in die Senatsverwaltung für Jugend und Sport. Einer ihrer Schwerpunkte in der Senatsjugendverwaltung war die Integration von migrantischen Kindern oder Kindern mit Einschränkungen in den Kindertagesstätten. Berufsbegleitend absolvierte sie von 1971 bis 74 eine Ausbildung zur Trainerin für Gruppendynamik.
1978 wurde sie zur Abteilungsvorsitzenden in Charlottenburg gewählt. Sie gehörte dem Kreisvorstand an, war Landesparteitagsdelegierte. Als Stadträtin für Sozialwesen und stellvertretende Bezirksbürgermeisterin engagierte sie sich von 1981 bis 1989 in der Charlottenburger Kommunalpolitik und erwarb sich schnell den Ruf, eine engagierte Kämpferin für soziale Gerechtigkeit zu sein. 1985 und 1989 war sie jeweils Spitzenkandidatin der Charlottenburger SPD für die BVV.
Zwischen 1985 und 1989 war sie stellvertretende SPD-Landesvorsitzende. 1989 holte Walter Momper sie als Bürgermeisterin und Senatorin für Gesundheit und Soziales in den rot-grünen Senat, in dem mehrheitlich Frauen die Politik bestimmten. Hier organisierte sie die Zusammenführung der beiden Stadthälften im Sozialbereich und Gesundheitswesen. Nach der Bildung der Großen Koalition 1991 gab sie das Gesundheitsressort ab, blieb aber Senatorin für Soziales. Im November 1994 übernahm sie zusätzlich das Jugendressort von Thomas Krüger, der in den Bundestag gewählt wurde. In einer Urabstimmung der Berliner SPD wurde sie 1995 gegen Walter Momper zur Spitzenkandidatin gewählt. Nach der erneuten Wahlniederlage der SPD wurde sie in der großen Koalition Senatorin für Schule, Jugend und Sport. 1999 schied sie aus dem Senat aus und zog sich aus der ersten Reihe der Berliner SPD zurück. Ab dem Jahr 2000 arbeitete sie als Trainerin für Gruppen- und Organisationsdynamik.
„Ingrid Stahmer engagierte sich aber weiterhin in der Berliner Gesellschaft, so im Flüchtlingsrat der Stadt“, so Abgeordnetenhauspräsident Ralf Wieland 2020 in seinem Nachruf. „Vor allem blieb sie auch dem Abgeordnetenhaus sehr verbunden, übernahm 2002 den Vorsitz im Kuratorium zur Verleihung der Louise-Schroeder-Medaille, die das Abgeordnetenhaus alljährlich verdienten Persönlichkeiten oder Institutionen verleiht, die dem politischen und persönlichen Vermächtnis Louise-Schroeders in herausragender Weise Rechnung tragen.“
Über Parteigrenzen hinweg rief sie 1992 die Überparteiliche Fraueninitiative Berlin – Stadt der Frauen (Üpfi) ins Leben, ein Bündnis, in dem Frauen aus den Parteien, der Landesregierung, den Gewerkschaften, Hochschulen, der Kultur und weiteren Bereichen zusammenwirkten. Ihr wichtigstes Anliegen blieb die Bekämpfung von Armut. Bis zuletzt engagierte sie sich auch im Vorstand des August Bebel Instituts.
Ein Unfall machte ihr in den letzten Lebensjahren schwer zu schaffen, am 30. August 2020 starb sie.
Links:
– Linke Lebensläufe: Ingrid Stahmer (beim August Bebel Institut): http://linke-lebensläufe.de/lebenslauf/stahmer.html
– Nachruf bei der Deutschen Gesellschaft für Gruppendynamik und Organisationsdynamik DDGO: https://www.dggo.de/stahmer