Es war „sein“ Jahr, das Jahr 1989. Zum Jahresbeginn ist der Mann mit dem roten Schal mit seinem rot-grünen Senat ins Amt gekommen. Nach den kleinlichen West-Berliner Debatten um Busspuren und Tempolimits gibt es vom Sommer an kein anderes Thema als die Veränderungen in den osteuropäischen Ländern, die Fluchtbewegung und die Auswirkungen auf die DDR. Im Herbst und Winter gibt es kaum eine Nachrichtensendung, in der Berlins „Regierender“ nicht zu sehen ist.
Walter Momper hat die Erinnerungen an „seinen“ Herbst 1989 kurz nach den Ereignissen aufgeschrieben. Entsprechend lebendig und anschaulich wirken die Schilderungen von Abläufen und Begegnungen. 1991 erschien der Rückblick unter dem Titel „Grenzfall“. Lange Zeit war der Band vergriffen. Jetzt stehen die Erinnerungen, ergänzt um ein längeres Interview aus heutiger Sicht, wieder unter neuem Titel zur Verfügung.
Momper berichtet von seinen Treffen mit DDR-Vertretern, mit Alliierten und der Bundesregierung. Er beschreibt die politische Ausgangssituation, das Erstarken der Oppositionsbewegung und die Reaktionen im Westen wie im Osten. Weitgehend alleingelassen von der Bundesregierung bereitet sich der Senat auf einen Ausnahmezustand in der Stadt vor, der mit der Maueröffnung dann auch überraschend schnell eintritt. Momper benennt Fehleinschätzungen, er kritisiert dabei auch die Haltung des damaligen SPD-Kanzlerkandidaten Lafontaine, der es nicht verstanden hatte, jenseits aller wirtschaftspolitischen Überlegungen auch die Hoffnungen und Wünsche der Menschen ernst zu nehmen.
In Walter Mompers Beschreibung wird der Herbst 1989 wieder lebendig – als ein spannendes Stück Zeitgeschichte.
Walter Momper, »Berlin, nun freue dich!« Mein Herbst 1989, broschiert, 396 Seiten,
Verlag Das Neue Berlin; ET: 8. April 2014, ISBN-10: 3360021800