Berlin ist quirlig und lebendig. Verlassene Orte mag man da eher nicht vermuten. Dennoch gibt es, zumindest vorübergehend, die aufgegebenen Krankenhäuser, die stillgelegten Industriestandorte, die ehemaligen Badeanstalten. Angesichts der zahlreichen Bildbände über diese „Lost Places“ und die Vermarktung durch Fototouren scheint es zwar eher unwahrscheinlich, noch auf wirklich verlassene und menschenleere Orte zu stoßen. Aber zumindest Fotografien zeigen diese Orte so.
Daniel Boberg ist Software Entwickler, Autor und Fotograf. 2018 hat er in Berlin zehn Orte aufgesucht, die heute zum Teil auch Stationen der kommerziell angebotenen Fototouren zu Berlins verlassenen Orten sind. Daniel Bobergs großformatige Aufnahmen halten den Zerfall fest, dem die Räume schon mehrere Jahre ausgesetzt sind, und die Spuren, die heimliche Besucherinnen und Besucher hinterlassen haben. Sie zeigen die Graffiti und Reste des Mobiliars und lassen erahnen, wie Menschen hier gelebt und gearbeitet haben.
Jeder der Orte hat seine eigene Geschichte, Daniel Boberg erzählt sie kurz und knapp. An manchen Orten haben Menschen gelitten, an anderen haben sie sich erfreut oder gearbeitet. Da ist zum Beispiel das Neuköllner „Blub“, 1985 in Britz als Privat finanziertes „Spaßbad“ eröffnet. Übrig blieben zerbrochene Balken, die Umrandungen der früheren Becken. Auch ein anderes Bad, das BVB-Freibad Lichtenberg, in den 1970er Jahren saniert, ist seit den 1980er Jahren geschlossen und zur Freiluftausstellung für Graffiti geworden. Noch ein weiteres Bad, das Wernerbad in Mahlsdorf, eröffnet 1905, zeigt Daniel Boberg im Zustand des Zerfalls. Eine Flusspferdfigur wartet dort auf wohl vergeblich auf Wiederbelebung des 2002 geschlossenen Areals. Ein düsterer und beklemmender Ort ist das alte Gefängnis in Köpenick mit seinen engen Zellen, 1933 von der SA übernommen, in der DDR dann Männer- und Jugendgefängnis.
Quasi zum Pflichtprogramm gehört die ehemalige alliierte Abhöranlage auf dem Teufelsberg. Einen Blick in eine alte Industrieanlage, die nach der Wende 1989 überflüssig war, gewähren die Aufnahmen aus dem VEB Berliner Metallhütten und Halbzeugwerke in Treptow-Köpenick. Historisch ist der Rundlokschuppen in Rummelsburg, einer der letzten seiner Art. Das ehemalige Institut für Anatomie der Freien Universität Berlin, das Kinderkrankenhaus Weißensee, eine verlassene Autowerkstatt in Pankow sind weitere verlassene Orte in Bobergs Zusammenstellung.
Daniel Boberg setzt in meist düsteren Bildern den Charme des Zerfalls in Szene, zeigt auch die Zerstörung, die unbefugte Besucherinnen und Besucher hinterlassen haben, und die Natur, die die von Menschen aufgegebenen Areale zurückerobert. Der Fokus liegt auf den zum Teil detailreichen Bildern, die für sich wirken sollen, weniger auf Erklärung.
Daniel Boberg, Verlassene Orte Berlin. Dem Charme des Verfalls in der Spree-Metropole auf der Spur mit rund 180 stimmungsvollen Fotografien.: Wie Sie die Hauptstadt noch nie gesehen haben (Sutton Momentaufnahmen) 168 Seiten, ca. 130 Fotos, gebundene Ausgabe 2018, ISBN 978-3954009749,
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