von Hofstetten, Johann Baptist

Johann-Baptist von Hofstetten (Geburtsdatum ungewiss: 1836 (?) – 15. Januar 1887) Das bei Wikipedia und anderen Internetquellen genannte Geburtsdatum 12. Juli 1847 ist wenig plausibel. Der „Vorwärts“ spricht davon, dass v. Hofstetten 1887 im Alter von 51 Jahren verstorben ist.
v. Hofstetten stammte aus einer süddeutschen Adelsfamilie, diente in der bayerischen Armee, die er verließ, um als Journalist und Schriftsteller zu arbeiten. In Berlin heiratete er die vermögende Gräfin Strachwitz.

Politisch begeisterte sich v. Hofstetten für Ferdinand Lassalle, mit dem er befreundet war, und den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein ADAV. 1864, im Jahr des Todes von Lassalle, gründete v. Hofstetten gemeinsam mit Johann Baptist von Schweitzer die Zeitung „Der Social-Demokrat“ als Organ des ADAV, finanziert zum Teil aus dem Privatvermögen v. Hofstettens, das nach wenigen Jahren weitgehend aufgebraucht war. Nach der Trennung von seiner Frau heiratete von Hofstetten die Arbeiterin Mathilde Schultz. Nach einem Streit mit von Schweitzer schlug sich v. Hofstetten als Korrespondent für verschiedene Zeitungen durch, 1887 starb er und hinterließ seine Witwe nahezu mittellos.

Am 16. Januar 1887 erschien im „Berliner Volksblatt“ folgender Nachruf:

„Wie vorausgesehen, ist der mit der Berliner Arbeiterbewegung seit mehr denn 20 Jahren eng verbundene Berichterstatter von Hofstetten gestern nach wochenlangem Krankenlager in der Charité seinen Leiden erlegen. Mit ihm ist ein Mann dahingegangen, der bis zum letzten Augenblicke für die Sache des arbeitenden Volkes wirkte und – litt. Eine so bewegte, teilweise glänzende Vergangenheit, der später das Elend in nackter Gestalt folgte, haben nur wenige Menschen aufzuweisen. Als Mitglied einer alten bayerischen Adelsfamilie war er längere Zeit Offizier. Er wurde sogar für die nächste Umgebung des auf so tragische _Weise verblichenen Ludwig II., welchen er nach Göttingen auf die Universität begleiten sollte, in Vorschlag gebracht. Um seinen schriftstellerischen Neigungen leben zu können, quittierte der nun Verblichene den Offiziersdienst freiwillig und siedelte zu Beginn der sechziger Jahre nach Berlin über. Es war sein Verhängnis. Mit einer Gräfin Strachwitz verheiratet, in der „feinsten“ Gesellschaft verkehrend, schloß sich Herr von Hofstetten aus glühender Bewunderung Ferdinand Lassalle aufs Engste an. Auch die Gräfin Hatzfeld, die bei von Hofstettens einzigem längst verstorbenen Töchterchen Patenstelle vertrat, lernte er näher kennen. Als Lassalle das ihn in den Tod treibende Duell mit dem Bojaren Racewitza zum Austrag bringen wollte, eilte von Hofstetten auf dringendem Wunsch des ersteren nach Genf, um als „Unparteiischer“ und für andere Eventualitäten anwesend zu sein. Lassalle fiel. Im Testamente vermachte er seinem Freunde Hofstetten die Waffensammlung u.a. mehr. Ohne rechte Menschenkenntnis, dazu schwärmerisch veranlagt und Allen sorglos vertrauend, geriet Hofstetten und mit ihm das Vermögen seiner Frau in die Hände Dr. Schweitzers. Dieser geistig hervorragende Mann vermochte H. zu bestimmen, mit ihm das erste deutsche sozialdemokratische Parteiorgan, den „Sozialdemokrat“ herauszugeben. Nachdem die Mittel draufgegangen waren, entledigte sich Schweitzer des überflüssig gewordenen Freundes. H. war nun arm, seine Frau trennte sich von ihm und ging nach Paris, wo sie,, wenn wir richtig unterrichtet sind, auch starb. Die zweite Frau holte H. sich aus dem Volke; es war eine arme Näherin. Recht interessant ist, wie Liebknecht auf dem 4.Kongresse des internationalen Arbeiterbundes im Jahre 1869 für H. Partei ergriff. Er bezeichnete Schweitzers Verhalten gegenüber H. als „erbärmlich“. Jener habe es vermocht, den Freund „zum Bettler“ zu machen und zu verraten. Mit dem Abschluss der sechziger Jahre hatte die Glanzzeit H.’s. ihr Ende erreicht. Der jahrelange Kampf ums Dasein begann. Nur einige Freunde, wie z.B. Liebknecht, blieben ihm treu. Als Berichterstatter für wenige Blätter verdiente er sich mühsam das Brot. Die materiellen Sorgen und Kümmernisse verschiedener Art führten H. langsam, aber unaufhaltsam dem geistigen und physischen Ruin zu. Er bot zuletzt einen bemitleidendenswerten Anblick. Die einst so feurigen Augen waren erloschen, das Haar innerhalb zwei Wochen völlig ergraut und nur mit Anstrengung entrangen sich die Worte dem früher so beredten Munde. Mit manchen Mängeln behaftet, geht doch ein edler Charakter, der bis zuletzt, trotz Not und Sorge, seinen Ideen treu blieb, mit ihm dahin. Wir verlieren in ihm einen treuen Mitarbeiter; die Berliner Arbeiterschaft wird dem Dahingeschiedenen ei ehrendes Andenken bewahren.“

Todesanzeige Volkszeitung 17.1.1887

Allen Freunden und Bekannten
meines lieben verstorbenen Mannes,
des Schriftstellers
Johann Baptist v. Hofstetten
zur Nachricht, dass die Beerdigung am
Mittwoch ds. Mts, Mittags
1 ½ Uhr, von der Leichenhalle der
Königl. Charité (beim Neuen Tor)
aus nach dem Begräbnisplatz der frei-
religiösen Gemeinde (Pappel-Allee)
stattfindet.

Die trauernde Wittwe

 

Die Beisetzung Hofstettens

Die Volkszeitung berichtete am 20. Januar 1887 in ihrer 2. Ausgabe:

Die Beerdigung Hofstetteens, des ehemaligen Sekundanten Lassalles, fand heute Nachmittag statt und gestaltete sich zu einer bememerkenswerten Kundgebung seiner sozialdemokratischen Gesinnungsgenossen. Schon um 1 Uhr Nachmittags fanden sich die ersten Leidtragenden vor der Leichenhalle der Charité am Neuen Tor ein. In dem unter dem pathologischen Institut belegenen Leichenkeller stand der offene Sarg.Das Antlitz zeigte noch dieselbe stille Duldermiene, die es im Leben getragen, nichts in den Zügen des Todten ließ auf sein qualvolles Seelenleiden schließen. Die trauernde Wittwe stand am Sarge und neben ihre einige der bekannten Arbeiterinnen-Bewegung. Als später etwa fünfzig Arbeiter Einlaß begehrten um den Todten noch einmal zu sehen, wurde der Keller geschlossen, den er war für die vielen Ankommenden zu eng. Bald darauf wurde der Sarg auf einen #Handwagen gehoben und von drei Männern zur Leichenhalle geschafft, wo er vor dem kleinen Altar aufgebaut wurde. Hunderte von Arbeitern hatten sich inzwischen vor der Halle eingefunden und füllten dieselbe bald bis auf den letzten Winkel. In großer Menge wurden Lorbeerkränze auf den Sarg niedergelegt. Zu Füßen lag ein großer Kranz mit schwarzer Schleife und der Inschrift: „Dem treuen Mitkämpfer gewidmet von den Arbeiterinnen Berlins“. Ferner waren Kränze von der Redaktion und dem Verlag des „Berliner Volksblattes“ „Dem Kämpfer für Freiheit und Recht“, von den Zimmerern Berlins „Dem treuen Freunde“, vom Fachverein der Drechsler „Dem Kämpfer für die Rechte des arbeitenden Volkes“ gewidmet worden. Ebenso hatten die Gewerkschaft der Maurer, der Fachverein der Putzer, der Fachverein der Steinträger, der Gauverein der Maler und Andere Kränze überbracht. Die Polizei war zahlreich zur Stelle und musterte die Kranzinschriften. Die bekannten Führer der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung waren anwesend, sozialdemokratische Abgeordnete und Stadtverordnete waren hingegen nicht erschienen. Die Redakteure der „Berliner Zeitung“, des „Berliner Volksblattes“ und einige andere Vertreter aus journalistischen Kreisen erwiesen dem Verewigten gleichfalls die letzt Ehre. Mehr als tausend Arbeiter, die meisten mit schwarzen Schleifen geschmückt, folgten dem Sarge zu Fuß. An der Spitze des Zuges ritt ein Schutzmann. Hinter dem Leichenwagen folgten Frau Stägemann mit dem Kranz der Arbeiterinnen, dann die übrigen Kranzträger. Fast lautlos bewegte sich der Zug durch die Invalidenstraße nach dem freireligiösen Kirchhof in der Pappel-Allee, wo zahlreiche Schutzleute die Ankommenden erwarteten. Still wurde der Sarg in die Gruft gesenkt,, die tausendköpfige Menge senkte das Haupt und Kränze und Palmen folgten dem Sarge nach. Dann schied die Menge von der Ruhestätte eines ebenso edelherzigen, wie unglücklichen Mannes.

 

Über Ulrich Horb

Jahrgang 1955, Journalist und Fotograf in Berlin
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