Mitunter waren es weltbewegende Momente, manchmal waren es persönlich bewegende Momente, die Will McBride mit seiner Leica festgehalten hat. Der amerikanische GI, 1931 in St. Louis geboren, hat die Fotografie bereichert und in den fünfziger und sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts mit fotografischen Traditionen und Sehgewohnheiten gebrochen. Im Nachkriegs-Berlin hat er die Zerstörungen der Stadt ebenso dokumentiert wie das Aufbruchsgefühl einer neuen Generation. 1994 erschien mit dem Bildband „Adenauer und seine Kinder“ ein kleiner Querschnitt durch sein fotografisches Werk, 2025 zeigt das Bröhan-Museum etliche der darin enthaltenen Aufnahmen in einer kleinen Ausstellung (1. März bis 1. Juni 2025) und legt einen 100seitigen Katalog vor.
McBride studierte Malerei, Kunstgeschichte und Illustration. 1953 kam er als amerikanischer Soldat nach Deutschland, wo er auch nach dem Ableisten seines Wehrdiensts blieb. Berlin an der Schnittstelle von Ost und West mit seiner Aufbruchstimmung faszinierte ihn, im Amerika-Haus in der Hardenbergstraße fand 1957 eine erste Ausstellung seiner Fotos statt. Ab 1959 arbeitete McBride als Fotograf in der Stadt, viele seiner stilbildenden Fotos erschienen in der gerade neugegründeten Zeitschrift twen, deren Artdirector Willy Fleckhaus mit der grafischen Gestaltung und Bildauswahl das Zeitschriften-Layout revolutionierte.
McBrides frühe Motive finden sich auf den Straßen Berlins, es sind spielende Kinder in der Trümmerlandschaft, ein Pferd, das vor der Kulisse des Berliner Doms an einer Pumpe Wasser trinkt, die Steine klopfende Trümmerfrau. Faszinierend wirken auf McBride die Berliner Jugendlichen, die voller Optimismus den Aufbruch und die Lust am Leben verkörpern. Er gehört dazu, ist einer von ihnen. Seine Fotos, etwa von Jugendcliquen oder den Jugendlichen beim Jazz auf einem Dampfer, konnte er mit einer unscheinbaren Kleinbildkamera und einem 35mm-Weitwinkelobjektiv nahezu unbemerkt machen. So entstand eine große Nähe und Authentizität. Bilder, wie sie die Zeitschrift twen suchte. Dort erschien auch eine Serie von Aufnahmen seiner Frau Barbara: McBride hielt die Phasen der Schwangerschaft und Geburt fest. Einen Skandal löste ein Motiv seiner schwangeren Frau aus, das als anstößig empfunden wurde, weil der Knopf ihrer Jeans geöffnet war.
McBrides Fotos trafen den Zeitgeist und berührten gesellschaftliche Tabus, sie zeigten eine jugendliche Wirklichkeit, die sich deutlich von der erstarrten Gesellschaft abhob. Seine Fotos für das Aufklärungsbuch „Zeig mal“ trugen zur Sexualaufklärung bei – wobei einer der Textautoren, der Sexualwissenschaftler Helmut Kentler, heute als Kopf eines Missbrauchsnetzwerks Pädophiler gilt. In den USA wurde „Zeig mal“ als kinderpornographisch eingestuft.
McBride lieferte den Illustrierten aber auch die Aufnahmen vom Berlinbesuch John F. Kennedys mit Willy Brandt und Konrad Adenauer an seiner Seite sowie zahlreiche Porträts Adenauers. In München unterhielt er ein Fotostudio, verdiente sein Geld mit Werbefotografie.
Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre häuften sich die Probleme, McBride geriet in eine persönliche und berufliche Krise mit der Trennung von seiner Frau Barbara, der Insolvenz des Fotostudios, Alkohol, Drogen und der Auseinandersetzung mit seiner Homosexualität. Die Zeitschrift twen wurde 1971 eingestellt. In der Toskana widmete sich McBride einige Jahre der Malerei und Bildhauerei. Zwischen 1983 und 1998 unterhielt er noch einmal in Frankfurt ein Fotostudio. An den Erfolg der fünfziger und sechziger Jahre in Berlin konnte er nicht mehr anknüpfen. 2015 starb er in Berlin.
Anmerkungen zur Fotografie von Will McBride im Band „Adenauer und seine Kinder“ hat der Journalist Michael Koetzle verfasst.
Antiquarisch: McBride, Will, Adenauer und seine Kinder: Fotografien 1956 – 1968. Hrsg. von Monika Flacke. [Deutsches Historisches Museum], Ars Nicolai, Berlin 1994; ISBN 10: 3894790466 / ISBN 13: 9783894790462, 60 S. (erschienen zur Ausstellung im Deutschen Historischen Museum, Berlin, Fotogalerie, 7. April bis 31. Mai 1994)
Zur Ausstellung im Berliner Bröhan-Museum erscheint ein Katalog mit 100 Seiten und zahlreichen Abb. Preis: 13 Euro an der Museumskasse