Innerhalb der drei formal gleichberechtigten ZA-Vorsitzenden Gniffke, Grotewohl und Fechner setzt sich Grotewohl damit durch, allein die Federführung für die Vertretung der Partei zu übernehmen[1]. Gniffke nimmt geschäftsführende Aufgaben wahr, Fechner kümmert sich um die Parteiorganisation und den Kontakt mit den in der Verwaltung tätigen Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten.
In der Bülowstraße ist August Karsten nach dem Umzug des Zentralausschusses in die Behrenstraße für kurze Zeit mit der Kassenverwaltung zurückgeblieben. Er lässt dort Regale aufstellen, die sich mit Büchern füllen, die von Mitgliedern gespendet werden. Es besteht ein ungeheurer Bedarf an Information und politischer Bildung. Karsten zieht schließlich ebenfalls in die Behrenstraße um und bringt ein Ölgemälde, das Philipp Scheidemann zeigt, mit in sein Arbeitszimmer. Ein großes Porträt August Bebels aus dem Besitz von Otto Grotewohl hängt im Sitzungssaal in der 2. Etage. Auf dieser Etage hat auch Paul Löbe ein Büro bezogen. Er ist zuständig für Flüchtlingsfragen.
Mitglieder des Zentralausschusses informieren sich auf Fahrten in die sowjetisch besetzte Zone über den Parteiaufbau und die auftretenden Konflikte. Grotewohl und Otto Meier sind Ende August nach Weimar gefahren, Erich Gniffke besucht einen Monat später in Probstzella die Landeskonferenz der thüringischen SPD. In Thüringen ist die Verfolgung des Sozialdemokraten Herrmann Brill durch die sowjetische Militäradministration ein Thema. Auf seinen Fahrten durch Mecklenburg, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sammelt Gniffke Eindrücke, die weit entfernt von vertrauensvoller Zusammenarbeit zwischen SPD und KPD sind. Und auch in den Betrieben bemerkt er Vorbehalte der Arbeiter gegenüber der KPD, deren Büros häufig wie „Filialen der Kommandanturen“ wirken[2].
Gegenüber Thüringer Genossen signalisiert Gniffke ein Umdenken im Zentralausschuss: Vordringliche Aufgabe sei die Herstellung der wirtschaftlichen und politischen Einheit Deutschlands, nicht mehr, wie anfangs stets betont, die Vereinigung der Arbeiterparteien.
Gniffke wird am 27. September erneut zu General Bokow gerufen. Der sowjetische General wendet sich im Gespräch gegen jene Sozialdemokraten, die in seinen Augen Stützen der bürgerlichen Gesellschaft sind, die Rechtssozialisten. „Die rechten Sozialdemokraten befinden sich im Schlepptau der Bourgeoisie; sie ignorieren den Fortschritt, der eintritt, wenn die Klassen und damit auch die Parteien verschwinden“, zitiert Gniffke den General. „Dieser Fortschritt ist nur als Einheit der Arbeiterklasse im Kampf gegen die Bourgeoisie und die rechten Sozialdemokraten zu erreichen. Die Vorstufe für diesen Kampf kann eine Demokratie sein, wenn in ihr die Arbeiterklasse als Aktionseinheit auftritt.“[3] KPD-Kaderchef Franz Dahlem sieht nach Grotewohls kritischer Rede auch die Berliner SPD-Führung auf dem Weg nach rechts.
Im Oktober 1945 sind in Berlin 171.786 Mitglieder der Gewerkschaften erfasst. In der Alliierten Kommandantur wird am 4. Oktober über die Frage gestritten, ob die von sowjetischer Seite berufenen Gewerkschaftsführer weiter amtieren dürfen. Auf der Gründungsversammlung des FDGB am 17. Juni war kein Vorstand gewählt worden, dies sollte einer Stadtdelegiertenkonferenz überlassen werden. Bis dahin stehen der Sozialdemokrat Hermann Schlimme und der Kommunist Roman Chwalek gemeinsam an der Spitze des vorbereitenden Ausschusses des FDGB.
Der FDGB hat Räume in der Wallstraße im sowjetischen Sektor, im selben Haus haben auch das ZK der KPD und die sowjetische Sektorenkommandantur ihren Sitz. Noch ist der Gewerkschaftsaufbau nicht abgeschlossen, westliche Alliierte und Sowjets haben unterschiedliche Vorstellungen vom Aufbau und Zuschnitt der Gewerkschaften, mühsam müssen die deutschen Gewerkschaftstraditionen erläutert werden, wie Hermann Schlimme Ende August 1945 in einer Aktennotiz festhält.
Nach den Wahlen der Vertrauensleute in den Betrieben sollen Wahlen auf Bezirksebene durchgeführt werden. Ende August hat der, so Gewerkschaftssekretär und Zentralausschussmitglied Karl Germer[4], „sonst vollkommen farblos erscheinende Paul Walther“, Vertreter der KPD, im engeren Vorstand einen Antrag vorgelegt, der ein Wahlverfahren beinhaltet. Am 1. September teilt der FDGB-Ortausschuss den Bezirksausschüssen und Bezirksverbandsleitungen per Rundschreiben Vorgaben für Wahlen von Delegierten mit, die bereits am 23. September den Ortsausschuss bestimmen sollen. Germer fürchtet aufgrund der Kurzfristigkeit einen unfairen Startvorteil für die KPD, deren Mitglieder sich in Betriebszellen organisieren und im Betrieb untereinander kennen, also auch wissen, wen sie zu wählen haben, während die SPD nach dem Wohnortprinzip organisiert ist und in den Betrieben kaum in Erscheinung tritt. Germer verfügt über eine Namensliste mit „zuverlässigen Sozialdemokraten“ in den Fachgewerkschaften, denen er in den kommenden Tagen seine Befürchtungen persönlich schildert. Die Beschlussschreiben der Einzelgewerkschaften fallen danach eindeutig gegen den frühen Wahltermin aus. Roman Chwalek wird bei einem Vorbereitungstreffen für die beabsichtigte Delegiertenkonferenz von den Stellungnahmen, die auch von kommunistischen Vorstandsmitgliedern der Einzelgewerkschaften mitgetragen wurden, völlig überrascht. Chwalek spricht von Sabotage. Da alliierte Beobachter bei der Sitzung anwesend sind, ist die geplante Delegiertenkonferenz allerdings vom Tisch. Germers Alleingang, der auch mit Hermann Schlimme nicht abgestimmt ist, ist damit erfolgreich. „Die Alliierte Kommandantur“, so Germer, „hatte über den Oberbürgermeister mitgeteilt, welche Voraussetzungen erfüllt werden müssen, bevor ein neuer Antrag genehmigt werden könne. Damit war der Versuch einer kommunistischen Eroberung der Gewerkschaften aus dem Missbrauch der Vertrauensseligkeit und auch der Naivität der demokratischen Partner zurückgewiesen.“ Angefordert wurde von der Alliierten Kommandantur vor einer Genehmigung der Konferenz die Vorlage der geplanten Verfassung des FDGB, Statuten, Regeln, Wahlordnung des FDGB und seiner 18 Einzelverbände, eine vollständige Liste der Mitglieder jedes Bezirksverbandes und eine Aufstellung über die gezahlten Beitrittsgebühren und Beiträge.[5]
Der Vorgang habe den West-Alliierten nach Einschätzung Germers auch gezeigt, dass Vorsicht gegenüber dem sowjetischen Waffenbruder notwendig sei. Die SPD behält zwar das Wohnortprinzip für ihre Mitglieder aufrecht, sie beginnt aber zusätzlich mit dem Aufbau von Betriebsgruppen. In einem Beschluss des Zentralausschusses heißt es: „In jedem privaten und öffentlichen Betrieb (auch Verwaltungen) muss eine Betriebsgruppe der SPD gebildet werden.“ Ihre Arbeit soll mit der Parteileitung vor Ort abgestimmt werden, als ihre Aufgabe wird „unbedingtes Einsetzen für Demokratie und Sozialismus“ benannt. Wirkliche Demokratie sei „beste Sicherheit gegen alle Diktaturgelüste“, so der Zentralausschuss.
Die „Beherrschung der Gewerkschaft“, so schreibt Germer in einem Rückblick knapp dreißig Jahre später, sei im letzten Drittel des Jahres 1945 die „überragende politische Aufgabe“ der KPD gewesen. Er sieht dahinter einen strategischen Plan: „Während im kommunistischen System die Gewerkschaft nur als ein ausführendes Organ der politischen Partei gilt, ist in unserer Welt die Gewerkschaft das große Infiltrationsorgan, über das die kommunistische Partei Einfluss auf andere politische Parteien, und zwar über die gewerkschaftlich organisierten Mitglieder dieser Parteien gewinnen kann.“ Otto Sperling, ehemaliger Betriebssekretär der SPD und Mitglied von Neu Beginnen, rechnet in einer Gewerkschaftschronik[6] vor: „Von den ca. 1250 Funktionären des FDGB gehörten nach dem Aufbau der Organisation etwa 1000 der KPD an, der Rest größtenteils der SPD.“
In London geht am 2. Oktober eine Konferenz der Außenminister der USA, Großbritanniens und der Sowjetunion zu Ende. Auch Frankreich und China sind durch Außenminister vertreten, die aber auf Bestreben der Sowjetunion nicht an den Beratungen über die Nachkriegsordnung in Osteuropa teilnehmen sollen. Von der Einigkeit der Siegermächte im Krieg ist nichts mehr zu spüren. Die Vorbereitung von Friedensverträgen, wesentliche Aufgabe der Außenministerkonferenz, kommt nicht voran, die Konferenz endet ohne Beschlüsse, aber mit gegenseitigen Schuldzuweisungen.
Kurt Schumacher bereitet in Hannover ein erstes größeres Treffen von Sozialdemokraten der westlichen Zonen vor. Die von ihm im August entwickelten „Politischen Richtlinien“ erreichen bis Anfang September über ein Netz von Verbindungsleuten die SPD-Bezirke in den Westzonen. In vielen Punkten stimmen die Positionsbeschreibungen Grotewohls und Schumachers überein, etwa in der Betonung der Einheit Deutschlands und des Zusammenhangs von Demokratie und Sozialismus.[7] Im Laufe des Juli und August 1945 erreichen Schumacher zahlreiche Schreiben von Bezirksverbänden, die ihm das Mandat zur organisatorischen und politischen Führung der Partei erteilen. Der Bezirk Hannover erteilt ihm dieses Mandat am 11. Juli ausdrücklich für das gesamte Reich.
Während Grotewohl vor der Notwendigkeit steht, in der sowjetischen Besatzungszone Freiräume für die Arbeit der SPD zu erhalten, kann Schumacher in der britischen Zone die Unterschiede zur KPD deutlicher ansprechen. Er wirft den Kommunisten vor, Demokratie als Taktik zu betrachten, während „das Prinzip der Diktatur nicht negiert, sondern als das höhere Prinzip für eine zukünftige Eventualität zurückgestellt“[8] wird. Sollten jedoch die Kommunisten tatschlich den Wert der Demokratie für die Arbeiter entdeckt haben, gebe es eigentlich keinen Grund für den Weiterbestand der KPD. Das im KPD-Gründungsaufruf formulierte Bekenntnis zu freiem Unternehmertum, freier Wirtschaft und Privateigentum lehnt Schumacher ab, weil der Wiederaufbau nur durch „planmäßige Lenkung der Wirtschaft“ vollbracht werden könne. Zudem würde durch ein Zusammengehen von SPD und KPD sofort der Bürgerblock geschaffen. Und ob eine vereinte Arbeiterpartei tatsächlich so einig auftreten könnte oder von innerparteilichen Auseinandersetzungen geprägt sein würde, ist eine Frage, die sowohl Schumacher wie auch Grotewohl ansprechen. Schumacher sieht im August 1945 nur zwei mögliche Felder der Zusammenarbeit mit der KPD: Zusammenarbeit in sozialen Fragen und bei der Überwindung des Faschismus[9].
„Mit der militanten Absage an jede Form dogmatisch ideologisierter Politik war gekoppelt das frühe, eindeutige und unbeirrbare Votum gegen eine Vereinigung von SPD und KPD in der Sowjetischen Besatzungszone und gegen Einheitspartei-Initiativen unter Einschluss der Kommunisten in den Westzonen“, so die Einschätzung der Historikerin Helga Grebing[10]. „Es stimmt, Schumacher war vom ersten Tag der Befreiung an davon überzeugt, dass es nicht möglich sein werde, in der SBZ sozialdemokratische Politik zu machen.“
Anfang September hat Schumacher ein erstes Rundschreiben mit Fragen zum Aufbau der Parteiorganisation an die Bezirkssekretariate verschickt. Antworten treffen in den kommenden Wochen vor allem aus der britischen Zone ein. Für den 5. bis 7. Oktober lädt Schumacher zu einem anfangs als „Reichskonferenz“ bezeichneten Treffen, um ein einheitliches Vorgehen abzustimmen. „Auf ihr wird sich auch herausstellen, welchen Grad von politischem Einfluss und ökonomischer Gestaltung die Partei in den drei westlichen Besatzungszonen besitzt.“[11] Ungeachtet früherer oder aktueller Mitgliederzahlen soll jeder Parteibezirk drei Delegierte entsenden[12]. Den Begriff „Reichskonferenz“ verwendet Schumacher allerdings nicht weiter, um Irritationen der britischen Besatzungsbehörde zu vermeiden, aber wohl auch, so vermutet es Albrecht Kaden, um den Berlinern keinen Vorwand zu liefern, ihren reichsweiten Führungsanspruch anzumelden.
Fünfzehn Jahre später beschreibt Willy Brandt Schumachers Intentionen: „Die Sozialdemokratische Partei, die Hitler zerschlagen hatte, deren Führer entweder hingerichtet oder zur Flucht gezwungen worden waren, deren Besitz – Häuser, Zeitungen, Bibliotheken, Gelder – die Nationalsozialisten gestohlen hatten, deren Mitglieder, sofern sie nicht an der äußeren oder inneren Front gefallen waren, nur noch in kleinen Gruppen und Zirkeln ihre politische Verbindung aufrechterhielten – diese Partei sollte wiedererstehen, größer und mächtiger als vor Hitler; sie sollte zur Partei der nationalen Rettung werden und die Macht übernehmen; sie sollte die Macht benutzen, um die Fehler der Vergangenheit auszumerzen.“[13]
Der Zentralausschuss ist über das Treffen informiert. In einem weiteren Rundschreiben an die westlichen Parteibezirke weist Schumacher Mitte September aber darauf hin, dass „die Berliner einen zentralen Geltungsanspruch für das ganze Reich behaupten“. Und Schumacher setzt hinzu: „Diesen Anspruch erkennen wir nicht an und können wir aus den anderen Gegebenheiten unserer Politik auch nicht anerkennen.“ Emissären des Zentralausschusses sollte das auch deutlich gemacht werden. „Abwehren wollte er“, so Albrecht Kaden über Schumachers Absichten, „den erwarteten sowjetischen Zugriff auf die deutsche Sozialdemokratie“[14]. So bleibt ein Rundschreiben der SPD-Bezirksleitung Braunschweig, in dem die „Weisungen“ des Zentralausschusses als „maßgebend und bindend“ bezeichnet werden, die Ausnahme.[15]
Hans Vogel, Mitglied des alten SPD-Parteivorstandes im Londoner Exil, hält Verbindungen zum Büro Schumacher wie auch zum Zentralausschuss. Gemeinsam mit Erich Ollenhauer will er am 6. Oktober von London zum Treffen in Hannover kommen. Die von ZA-Mitglied Erich Gniffke erhoffte Vermittlung zwischen Schumacher und Grotewohl kann Vogel aber nicht mehr leisten. Bevor er die Reise antreten kann, stirbt Vogel am 6. Oktober 64jährig in London. Am 23. September hat er im Bewusstsein seiner Erkrankung einen Brief an die Teilnehmer des Treffens gerichtet, eine Art politisches Vermächtnis. „Es ist heute noch zu früh, über das Programm der neuen Partei im einzelnen zu sprechen“, schreibt Vogel. „Wir stehen nicht nur vor einer völlig neuen Lage im zerstörten Deutschland, wir stehen auch vor einer grundlegend geänderten Machtverteilung in der internationalen Politik. Außerdem befinden wir uns mitten in einer tiefgehenden geistigen Krise der europäischen Zivilisation, mit der sich vor allem der freiheitlich-demokratische Sozialismus in allen Ländern auseinandersetzen muss. Wir dürfen daher über der Arbeit für den Aufbau der Organisation, als dem unerlässlich notwendigen Instrument unserer Politik, die notwendige geistige Klärung nicht vergessen. Wir brauchen die volle innere Bereitschaft und Aufgeschlossenheit der neuen Partei und ihrer Führung für die geistigen und politischen Probleme der Gegenwart, damit die neue deutsche Arbeiterbewegung den Anschluss an das geistige Ringen unserer Zeit wieder gewinnt und an der Klärung und Lösung ihrer Probleme mitarbeiten kann.“[16]
Vogel nimmt auch zur Situation der Sozialdemokraten in der sowjetischen Zone Stellung und warnt davor, das Verhältnis von Sozialdemokraten und Kommunisten auf örtlicher oder bezirklicher Basis zu entscheiden: „Eine fruchtbare Lösung dieses Problems setzt die Klärung einer Reihe für uns lebenswichtiger Fragen voraus, die nur im Rahmen der Gesamtpartei zu einem späteren Zeitpunkt herbeigeführt werden kann. Sie muss außerdem im Zusammenhang mit der Entwicklung in der internationalen sozialistischen Arbeiterbewegung gesehen werden. Wir wünschen, dass unsere Genossen in den nichtrussisch besetzten Gebieten des Reiches jeden Versuch machen, um mit den Genossen der Berliner Parteiorganisation in einen ständigen und freundschaftlichen Kontakt zu kommen. Es muss unser aller Ziel sein, eine einheitliche Parteiorganisation für das ganze Reichsgebiet auf der Basis einer gemeinsamen Beschlussfassung zu schaffen. In diesem Sinne bitten wir, alle Beschlüsse hinsichtlich der Organisation und der Führung der Partei in den nichtrussisch besetzten Gebieten als Provisorium zu betrachten.“
ür den Zentralausschuss reisen die Vorsitzenden Otto Grotewohl und Max Fechner sowie Gustav Dahrendorf mit einer britischen Maschine nach Hannover. Die britische Militärverwaltung hat den Umfang des Treffens deutlich begrenzt. Erst einen Tag vor Beginn des geplanten Treffens genehmigt sie zwei getrennte Zusammenkünfte, eine für maximal 38 Personen aus der britischen Zone, eine zweite private für 40 Vertreter der anderen Zonen. Im Namen Schumachers unterschreibt dessen Beauftragter Herbert Kriedemann die Bedingung, dass an der Versammlung für die britische Zone niemand von außerhalb teilnehmen dürfe, dass nur die namentlich genannten Delegierten teilnehmen, im Nachhinein eine Teilnehmerliste eingereicht werden muss und es keine Veröffentlichung von Ergebnissen ohne Zustimmung der Militärbehörde geben darf. Am 5. Oktober treffen im Bahnhofshotel Petersen[17] in Kloster Wennigsen in der Nähe Hannovers 30 Delegierte der britischen Zone und die drei Londoner Emigranten Ollenhauer, Heine und Schoettle mit Schumacher zusammen, um über die Politischen Richtlinien zu diskutieren. In den „Sozialistischen Mitteilungen“ des Londoner Exil-Vorstands heißt es: „Die Konferenz fand in einem festlichen geschmückten Raum statt, rotes Fahnentuch und ein Bild von Karl Marx füllten die Bühne.“ Erwin Schoettle berichtet in einer Sendung der BBC[18]: „Mehr als die Hälfte der Delegierten trugen die Spuren der KZ-Jahre im Gesicht und am Körper …“
(wird fortgesetzt)
[1] Harold Hurwitz, Demokratie und Antikommunismus, Band 4, S. 347
[2] Erich Gniffke, Jahre mit Ulbricht, S. 86
[3] Erich Gniffke, Leben mit Ulbricht, S. 90
[4] Karl Germer, Von Grotewohl bis Brandt, S. 58
[5] Berlin, Kampf um Freiheit und Selbstbehauptung 1945-1946, 2. erg. und erw. Auflage Berlin 1961, S. 183
[6] FDGB, UGO, DGB, Berliner Gewerkschaftsgeschichte von 1945 bis 1950, herausgegeben vom DGB Berlin, Berlin 1971, S. 33
[7] Vgl. Albrecht Kaden, Einheit oder Freiheit, S. 75
[8] Kurt Schumacher, Politische Richtlinien, S.22
[9] Vgl. Albrecht Kaden, Einheit oder Freiheit, S. 80
[10] Helga Grebing, „Neubau“ statt „Wiederaufbau“ der SPD – die Lehren aus der Weimarer Republik, Referate und Podiumsdiskussion eines Kolloquiums des Gesprächskreises Geschichte der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn am 12./13. Oktober 1995 / hrsg. von Dieter Dowe. Forschungsinstitut der Friedrich-Ebert-Stiftung, Historisches Forschungszentrum. – Bonn, 1996.
[11] Kurt Schumacher, Politische Richtlinien, S.26
[12] Schreiben Kurt Schumachers vom 28. August 1945
[13] Willy Brandt, Mein Weg nach Berlin, München 1960, S. 194
[14] Albrecht Kaden, Einheit oder Freiheit, S. 130
[15] Albrecht Kaden, Einheit oder Freiheit, S. 157
[16] Nach: Sozialistische Mitteilungen Oktober/November 1945, Beilage, http://library.fes.de/fulltext/sozmit/som-von-aussen.htm
[17] Später: Calenberger Hof. Der ursprüngliche Veranstaltungsraum brannte 1977 bei einem Feuer nieder.
[18] Arbeitersendung der BBC am 11. Oktober 1945, vgl. Sozialistische Mitteilungen Oktober/November 1945