Zu Adolf Heilborns (1873- 1941) zahlreichen Veröffentlichungen gehört der 1921 erschienene Band „Die Reise nach Berlin“. Darin begibt er sich auf Entdeckungstour durch seine Heimatstadt, angelehnt an eine Geschichte des Schriftstellers Julius Rodenberg. Der hatte von einem Berliner berichtet, der jedes Jahr mit großem Hallo in den Urlaub aufbrach, um dann am Potsdamer Tor zu entscheiden, doch in Berlin zu bleiben. Heilborns mit viel Liebe zum Detail erzählte Beobachtungen erschienen zunächst als Serie in der „Berliner Morgenpost“, die damit ihren Leserinnen und Lesern das 1920 zu Groß-Berlin vereinte Stadtgebiet näherbrachte.
Adolf Heilborn nimmt seine Leserinnen und Leser mit auf Spaziergänge in ein Berlin, das voller Veränderungen ist. Angefangen bei seinem eigenen Schulweg, auf dem die Zugbrücken noch als willkommene Entschuldigung für die Verspätung zum Schulbeginn dienen konnten: Morgens musste Heilborn auf dem Weg zum Köllnischen Gymnasium über die Waisenbrücke. „Schon von weitem sah man, wie die Brückenaufzieher hüben und drüben ihre Vorkehrungen trafen. Dann galts zu laufen, um ja nicht das Hochwippen zu versäumen und womöglich, wenn man genügend Eile zu heucheln wusste und die ‚Uffziere’ gut gelaunt waren, sich mit kräftigem Rück über den gähnenden Abgrund schwingen zu lassen. Drüben konnte man dann in aller Ruhe das Hindurchgleiten des Mörtelkahns mit ansehen; das Zuspätkommen lief einem ja nicht davon.“
Heilborn durchwandert Berlins alte Mitte, erzählt von den „Demoisellen“, den Töchter französischer Emigranten, die ihre selbstgefertigten Spitzen an einer Brücke anboten, die im Volksmund zur „Jungfernbrücke“ wurde, er erinnert an Raabes „Chronik der Sperlingsgasse“ und in der Brüderstraße an den Buchhändler Christoph Friedrich Nicolai, der hier „allerlei Kluges und leider noch weit mehr pedantisch Dummes geschrieben und verlegt“ hat. Am Nikolaikirchplatz erinnert sich Heilborn an sein „Jungensparadies“: „Da haben wir beim alten Keitel Insektennadeln und Torf gekauft, und was sonst noch zu dieser Schmetterlingsjäger- und -sammlerleidenschaft gehört. Wisst Ihr’s noch, Heinrich Zille, Georg Hermann, Erdmann Graeser?“
Heilborn zieht es ins Fischerviertel, er betrachtet auf einem Spaziergang das Schloss, wandert durch die Friedrichstraße zum Kreuzberg, erkundet auf dem Weg nach Charlottenburg den Tiergarten, er erzählt von den Veränderungen des Potsdamer Platzes und geht dann weiter in Richtung Schöneberg und Steglitz, wo in seiner Jugend noch Hasen über die Schlossstraße liefen. Stralau mit Treptow und Tegel sind die beiden letzten Ziele Heilborns. Die Stadtlandschaft verändert sich, je größer die Entfernung zur alten Stadtmitte wird. Beispielhaft beschreibt es Heilborn auf der Wanderung zum Schloss der Humboldts in Tegel: „Mit der Müllerstraße beginnt der Wedding, und mählich geht die Großstadt in die Vorstadt über und verläuft ins Land. Winzige Häuschen mit dürftigen Gärtchen schieben sich zwischen die hohen Häuserzeilen, die grünen Parkflächen alter Kirchhöfe drängen sich dichter aneinander, lustig kleine Restaurants lagern sich längs der Straße, mit Schaukeln, Karussells und Glücksbuden, ein „Sommertheater“ hie und da, und dann taucht zur Linken ein wahres Sandgebirge auf, die Rehberge, Dünenketten grell leuchtenden Sandes, dahinter in geschlossener Mauer schwärzliche Kiefern.“
Der 1925 im Rembrandt-Verlag erschienene Band enthält eine Vielzahl von Zeichnungen von Walter Wellenstein und etliche Fotos.
Adolf Heilborn, Die Reise nach Berlin, mit Zeichnungen von Wilhelm Plünnecke. Hrsg. von d. Berliner Morgenpost. Berlin 1921
mit Zeichnungen von Walter Wellenstein und vielen Fotos aus dem alten Berlin, erschienen 1925 im Rembrandt-Verlag Berlin Zehlendorf,
Neuausgabe 1966, mit Einleitung und Ergänzungen von Kurt Pomplun, Rembrandt Verlag
Neuausgabe 2013 im Verlag für Berlin-Brandenburg, vbb, Berlin ISBN 978-3-942476-87-4.
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