22 Stadtteilstreifzüge durch Berlin sind im 1987 im VSA-Verlag erschienen Band „Berlin zu Fuß“ beschrieben. Es sind Touren, die ins Innere der Stadt führen, nicht nur zu Fuß, sondern auch per Bus oder S-Bahn. Sie liegen weitgehend abseits der üblichen touristischen Wege und der bekannten Sehenswürdigkeiten. Es ist ein kritischer Blick auf die Stadt, erschienen in einem Verlag, der sein Programm seit seiner Gründung 1972 als Beitrag zur demokratischen Diskussionskultur der gewerkschaftlichen und politischen Linken versteht.
Die ausgewählten Touren lenken den Blick auf den Arbeiter- und Arbeitsalltag, auf soziale Missstände, auf die Kämpfe für Demokratie und Gerechtigkeit, auf Wohnungsbau und Industrieansiedlung oder die Spuren unterschiedlicher Religionen in der Stadt. Die Streifzüge führen ins Moabit von Beusselkiez und der alten Molkerei „Bimmel-Bolle“, ins Frohnau der Neureichen, Invaliden und Mönche, ins Schöneberg der Millionenbauern, zum sowjetischen Ehrenmal in Treptow, ins Siemensstädter „Elektropolis“ oder das amerikanische Dahlem. Von Kreuzberg aus geht es mit Bus 29 (heute der M 29) zum Kudamm und bei der Fahrt mit der S-Bahn vom Zoologischen Garten nach Frohnau drücken noch die alten Holzsitze.
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Wer das Buch nun ein paar Jahrzehnte nach seinem Erscheinen in die Hand nimmt, findet darin spannende zeithistorische Beschreibungen, auch wenn sie eigentlich nur die Gegenwart des Jahres 1987 in Ost- und West-Berlin darstellen sollten. Da wird in der Pappelallee 8 zum Beispiel die Annahmestelle des Kombinats Sekundärrohstofferfassung, kurz: Sero, beschrieben, wo Altpapier, Metalle und andere Wertstoffe gesammelt wurden. Die Rückgabe eines Konservenglases brachte 30 DDR-Pfennig ein. 1984, so wird aus einer Sero-Werbebroschüre zitiert, wurden 12 Prozent des Industrierohstoffbedarfs der DDR aus diesen Sammlungen gedeckt – auch dies ist heute Geschichte. Und gefallen sind inzwischen auch die Mauern, die Steinstücken oder Glienicke abtrennten.
Manche Einschätzungen sind der Zeit geschuldet. Viele weniger bekannte historische Informationen stecken in den eng bedruckten Seiten mit ihren vielen kleinen und größeren Illustrationen, Karten zeigen die Straßenverläufe, ein Namens- und ein Straßenregister erleichtern die Suche.
Berlin zu Fuß, 22 Stadtteilstreifzüge durch Geschichte und Gegenwart, Hrsg. Andreas Halle, Bernhard Müller, Hamburg 1987, 328 S., ISBN-13: 978-3879753956