Es ist sicher nicht einfach, einen Reiseführer für eine sich derart schnell verändernde Stadt wie Berlin vorzulegen. Aber die Reise- und Kulturjournalistin Ingrid Nowel hat für ihren erstmals 1998 bei Dumont erschienenen Kunst-Reiseführer „Berlin“ (2011 ist die 7. Auflage erschienen) auch einige Konstanten gefunden. Angefangen mit einem kurzen chronologischen Abriss der Berliner Geschichte schlägt sie eine Reihe von Rundgängen zu geschichtsträchtigen Orten der Innenstadt vor.
Natürlich liegen auch hier die bedeutenden Häuser, die in keinem Stadtführer fehlen dürfen, auf der Route, die Staatsoper, das Zeughaus, die Akademie der Künste, der Gendarmenmarkt. Aber mit dem Blick für das Detail erzählt Ingrid Nowel spannende Geschichten aus der Vergangenheit der Institutionen und Häuser, sie lenkt die Aufmerksamkeit auf Besonderheiten am Bau, erzählt von Künstlerinnen und Künstlern, von Architekten und Literaten. Und sie schildert anschaulich und unterhaltsam, wie sich die Orte heute darstellen. Während Unter den Linden manches geblieben ist oder an alter Stelle neu entsteht, hat der ebenfalls zum heutigen Bezirk Mitte gehörende Stadtteil Tiergarten die zahlreichen Bauten des Regierungsviertels aufgenommen und sich damit stark verändert.
Der Kunst-Reiseführer beschränkt sich aber nicht nur auf das Zentrum Berlins. Detailliert beschreibt er etwa die Entwicklung in Charlottenburg, der einst vor Berlin gelegenen Stadt mit ihrem Schloss, als Bezirk 1920 Teil von Berlin geworden, der sich in der Nachkriegszeit zum neuen Zentrum West-Berlins entwickelte. Ingrid Nowel führt zur entfernter gelegenen Spandauer Zitadelle, in die Siemensstadt und nach Reinickendorf mit seinen neuen Siedlungstypen, einst Sitz der Borsigwerke. Sie erzählt vom Prenzlauer Berg, von Pankows Rolle in der DDR-Zeit, von Lichtenberg mit Tierpark und Hinterlassenschaften der Stasi und Treptow-Köpenick mit seinen Freizeitmöglichkeiten. Der großbürgerliche Wohnkomplex Riehmers Hofgarten in der Nähe des Kreuzbergs findet ebenso Erwähnung wie das Bayerische Viertel, Wohnquartier vieler jüdischer Familien in den Jahren vor 1933, in dem heute an etlichen Stellen an die Verfolgung erinnert wird. Oder sie führt in das als Villenkolonie entstandene Friedenau, wo über die Jahrzehnte viele bedeutende Künstlerinnen und Künstler oder Schriftstellerinnen und Schriftsteller lebten und arbeiteten.
Der Band bietet einen faktenreichen und lebendigen Einblick in die Stadt, der nicht nur für Berlintouristen interessant ist, sondern auch Berlinerinnen und Berlinern noch neue Erkenntnisse verschaffen kann.
Ingrid Nowel, Berlin. Wege zu Kunst und Kultur, Geschichte und Architektur in den Stadtlandschaften der deutschen Hauptstadt, DuMont Reiseverlag, Ostfildern, 416 Seiten, ISBN-13: 978-3770132294