Mächtige Industriebauten, düstere Mietskasernen, großzügige Parkanlagen und Kleingärten – der Berliner Bezirk Wedding, heute ein Teil des neuen größeren Bezirks Mitte, hat unterschiedliche Gesichter. In der aufwändig recherchierten und illustrierten Buchreihe „Geschichtslandschaft Berlin – Orte und Ereignisse“ der Historischen Kommission zu Berlin war ihm 1990 der dritte Band gewidmet.
Der Band stellt etliche historisch bedeutsame Orte und Plätze in ihrer Entwicklung vor und entwirft ein differenziertes und vielschichtiges Bild des ehemaligen Arbeiterbezirks. Einen ersten Überblick verschafft die einleitende Siedlungsgeschichte des Wedding. Der Wedding vereinte verschiedene Siedlungsstätten, das „Vorwerk Wedding“, ein Gut nördlich des heutigen Nettelbeckplatzes, das Luisenbad am Gesundbrunnen sowie Siedlungen von eigens an die Panke geholten Kolonisten. Straßennamen wie Wiesenstraße oder Ackerstraße geben heute noch einen Eindruck von dem, was hier einmal war. Mit der zunehmenden Industrialisierung im 19. Jahrhundert entstanden zugleich immer mehr Mietskasernen, die Felder und Wiesen wurden zugebaut. Der erste Berliner Wahlkreis, in dem es eine sozialdemokratische Mehrheit gab, war der Sechste Reichstagswahlkreis, zu dem der Wedding gehörte.
Elend und Wohlstand lagen im Wedding nicht weit auseinander. Erzählt wird die Geschichte der „Chemischen Fabrik auf Actien“, die der Apotheker Ernst Schering gründete, und die mit ihrem imposanten Neubau an der Müllerstraße in der Nachkriegszeit das Bild des Bezirks bestimmte, ehe der Chemiekonzern Bayer sein Logo dort montierte. Parkanlagen wie der Humboldthain, der Schillerpark und die Rehberge gehörten zum Wedding wie Meyers Hof, die triste Wohnanlage mit ihren dunklen Höfen, und die AEG-Fabriken in der Brunnenstraße. Armen- und Wohnungsloseneinrichtungen wurden im Wedding gegründet und auch die Geschichte des Fußballvereins Hertha, der seinen Sportplatz am Gesundbrunnen hatte, oder des Jüdischen Krankenhauses in der Iranischen Straße wird ausführlich dargestellt. Der Wedding war aber auch ein Traditionsort der Arbeiterbewegung, die ihre Versammlungen in den Pharus-Sälen abhielt und Kundgebungen in den großen Parkanlagen veranstaltete. Zu Beginn der zwanziger Jahre war die linke SPD-Abspaltung USPD stärkste politische Kraft.
Der Band bietet eine detailreiche und fundierte Beschreibung der Bezirksgeschichte. Die Buchreihe „Geschichtslandschaft Berlin“ entstand in den achtziger Jahren aus Anlass der 750-Jahr-Feier Berlins. In den neunziger Jahren musste die Historische Kommission die Reihe aus finanziellen Gründen mit dem fünften Band beenden.
Der Wedding, Geschichtslandschaft Berlin -Orte und Ereignisse, Herausg. Historische Kommission zu Berlin, Berlin 1990, 480 Seiten, zahlr. Abbildungen, ISBN-13: 978-3875842968, antiquarisch