geb. 27. Februar 1930 in Berlin-Pankow; gest. 25. September 2017 in Berlin
Sie war ein Teil jener Arbeiterbewegung, die sie zu ihrem Forschungsgegenstand gemacht hat. Die Historikerin Helga Grebing hat sich in der und für die Sozialdemokratie engagiert, der sie seit ihrem Eintritt in die Pankower SPD im Januar 1948 angehört hat. Dennoch hat sie in ihren wissenschaftlichen Arbeiten stets kritisch auch die Schwächen und Versäumnisse ihrer Partei herausgearbeitet. Ihrer Entscheidung für den Eintritt ging ein längerer Prozess voraus, ein Ablösungsprozess vom Nationalsozialismus und vom Kommunismus, den sie in ihrem Buch „Freiheit, die ich meinte. Erinnerungen an Berlin“ beschrieben hat.
Helga Grebing wuchs in einer Arbeiterfamilie auf. Der Vater war Maurer, die Mutter arbeitete zunächst in einer Fabrik, später im Lebensmittelhandel. Von 1936 bis 1942 besuchte Helga Grebing die vierklassige Volksschule in Miersdorf Kr. Teltow, es folgte 1942 und 1943 der Besuch Von Aufbauklassen in Berlin, schließlich 1943 und 1944 die achtklassige Volksschule in Zeuthen Kr. Teltow. Helga Grebing ging in Neukölln auf die Handelsschule, die letzten zwei Monate vor Kriegsende war sie als Rüstungsfabrikarbeiterin in Wildau beim Lokomotivbauer Schwartzkopff tätig und übernahm die Funktion einer BDM-Führerin. Bi Mai 1946 besucht sie die Handelsschule in Berlin, besteht die Abschlussprüfung als Kauffrau und holt das Abitur nach. Sie studiert Geschichte, Germanistik, Philosophie und Staatsrecht an der Humboldt-Universität Berlin.
Schon vor dem Kriegsende beginnt ihr Nachdenken und die vorsichtige Distanzierung vom Engagement im BDM. 1947 wendet sich die Absolventin der Arbeiter- und Bauernfakultät der Humboldt-Universität von einem weiteren System ab – dem der SED. Sie tritt in Pankow in die SPD ein und wechselt von der Ost-Berliner Humboldt-Universität zur neugegründeten West-Berliner Freien Universität.
Im Dezember 1952 folgt die Promotion zum Dr. phil., ihre Dissertation widmet sie dem Thema „Zentrum und katholische Arbeiterschaft in der Weimarer Republik 1918 – 1933“
Von 1953 bis 1959 arbeitete sie als Lektorin im Verlagswesen, ab 1958 übernahm sie verschiedene Lehrtätigkeiten,1959 wurde sie Leiterin des internationalen Studentenwohnheims ‚Geschwister Scholl‘ in München, gleichzeitig Geschäftsführende Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Akademiker in München.
Vier Jahre, von 1961 bis 965 war sie Abteilungsleiterin an der Volkshochschule in München für die Gebiete Politik, Soziologie, Zeitgeschichte, Wirtschaft und Recht und zugleich Vorsitzende der örtlichen Arbeitsgemeinschaft ‚Arbeit und Leben‘, des Bildungswerks der Volkshochschulen und des DGB. 1964 wechselte sie als Referentin zurr Hessischen Landeszentrale für politische Bildung in Wiesbaden für die Gebiete Universitäten und Lehrerfortbildung.
Von 1967 bis 1969 war sie Habilitandenstipendiatin der DFG (Gutachter: Prof. Dr. Iring Fetscher, Prof. Dr. M. Rainer Lepsius, Prof. Dr. Hans Herzfeld). Das Thema ihrer Habilitationsschrift lautete „Konservative Kritik an der Demokratie in der Bundesrepublik nach 1945“. Im Juli 1970 erfolgte die Habilitation im Fach Politikwissenschaft. Helga Grebing lehrte in Frankfurt a. M. und Göttingen, Ende Februar 1972 wurde sie zur ordentlichen Professorin (C4) für Geschichte unter besonderer Berücksichtigung der Sozialgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts an der Universität Göttingen ernannt. Es folgten zahlreiche Veröffentlichungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung. Sie war Mitglied der Historischen Kommission beim SPD-Parteivorstand, zeitweilig auch Mitglied der Grundwertekommission beim SPD-PV. Von 1988 bis zur Emeritierung 1995 war sie Professorin (C4) für vergleichende Geschichte der internationalen Arbeiterbewegung und der sozialen Lage der Arbeiterschaft und Geschäftsführende Leiterin des Instituts zur Erforschung der europäischen Arbeiterbewegung der Ruhr-Universität Bochum, gleichzeitig vollkooptiertes Mitglied der Fakultät für Geschichtswissenschaft.
2002 wurde ihr das Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen.
Bis zu ihrem Tod 2017 in Berlin nahm Helga Grebing an vielen historischen Veranstaltungen teil und engagierte sich in der Historischen Kommission der Berliner SPD. Zusammen mit Siegfried Heimann gab sie 2012 einen historischen Reiseführer zu Stätten der Arbeiterbewegung in Berlin heraus.
Die Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung würdigte das Wirken Helga Grebings in einem Nachruf: „Die Historikerin hat die Arbeit unserer Stiftung von frühester Stunde an begleitet und war eine der Herausgeberinnen der „Berliner Ausgabe“ von Reden, Briefen und Schriften Willy Brandts. Helga Grebing hatte großen Anteil daran, dass die zehn Bände innerhalb weniger Jahre bis 2009 erschienen. Besonders kümmerte sich die Sozialdemokratin um die Bände über Brandts Wirken an der Spitze der SPD. Helga Grebing war als Historikerin der deutschen Arbeiterbewegung international angesehen. Ihre „Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung“, erstmals 1966 erschienen, wurde von Hunderttausenden gelesen und mehrfach übersetzt.“