Herbert Antoine

geb. 5. Februar 1902 in Berlin, gest. 6. Juni 1992 in Berlin
Rundfunkpionier, SPD-Kommunalpolitiker

Herbert Antoine 1984. Foto: Ulrich Horb

Von den „neuen Medien“ – dem Privatfernsehen – hielt er nicht viel. „Das erweiterte Angebot an Programmen ist für die Mehrheit ein Verhängnis. Schon jetzt leben viele Menschen isoliert und die Kinder sind davon beeinflusst.“ Dabei hat Herbert Antoine selbst einmal bei der Premiere eines „neuen Mediums“ mitgewirkt: Mitte der zwanziger Jahre begann er bei der damaligen Reichs-Rundfunk-Gesellschaft als Leiter der Abteilung Statistik und Öffentlichkeitsarbeit, war Mitglied im Programmausschuss und später Betriebsratsvorsitzender. Unter seiner Verantwortung wurden die ersten Rundfunkjahrbücher herausgegeben, fand die erste Funkausstellung 1926 in Berlin statt.

1929 trat Herbert Antoine in die SPD ein. „Angesichts des Naziterrors war es Zeit, sich zu entscheiden.“ Seine Haltung wurde den Nazis bald bekannt. Er gehörte zu den ersten, die nach ihrer Machtübernahme entlassen wurden.

Er blieb einige Zeit arbeitslos, dann halfen ihm Freunde. Der Spezialist für Betriebsstatistik kam nach einigem Hin und Her in einem Industriebetrieb unter. Nur dem Schutz seiner Freunde hatte er es immer wieder zu verdanken, dass er und seine Frau nicht von der Gestapo verhaftet wurden.

In der Zehlendorfer Widerstandsgruppe um Julius Leber sollte Herbert Antoine die Übernahme der Reichs-Rundfunkanstalt nach Hitlers Beseitigung vorbereiten. Der Plan blieb unausführbar. Erst nach Kriegsende konnte sich Herbert Antoine wieder politisch betätigen. Er gehörte zu den Mitbegründern der Zehlendorfer SPD, wurde Mitglied im Kreisvorstand und 1. Fraktionsvorsitzender in der BVV.

1948 erhielt er wieder eine Aufgabe im Rundfunkwesen. Er sollte die Vorarbeiten für die Schaffung eines eigenen Berliner Senders, des SFB, schaffen. Keine leichte Aufgabe, denn Widerstände gab es zahlreich. Herbert Antoine wurde Beauftragter des Senats für alle Rundfunkfragen, verantwortlich für die Finanzierung, für das Rundfunkgesetz. Nach Gründung des SFB vertrat er bis 1965 den Senat im Rundfunkrat. Anschließend gründete er – gemeinsam mit dem Arbeiterrundfunkpionier Bruno Voigt – das Rundfunkmuseum in Berlin.

Mit weit über 80 Jahren engagierte er sich noch in seiner Abteilung, als Beisitzer und regelmäßiger Teilnehmer der Abteilungsversammlungen.

 

Gemeinsam – aber wie?
Herbert Antoine: „Stunde Null“ in Zehlendorf

Der Zehlendorfer SPD-Ortsverband war einer der ersten, der sich in Berlin wieder gründete. Kein Wunder: „Hier in Zehlendorf wohnten ja eine ganze Reihe von Sozialdemokraten, die nachher auch im Zentralausschuss der SPD eine entscheidende Rolle spielten“, erinnert sich Herbert Antoine.
Erich W. Gniffke etwa gehörte zu ihnen, vor 33 im SPD-Parteivorstand und in der Freien Angestelltengewerkschaft aktiv, während der Nazi-Zeit unter Polizeiaufsicht, bei der Wiedergründung der SPD 3. Vorsitzender des Zentralausschusses. Hier wohnten die Sozialdemokraten Gustav Dahrendorf und Otto Bach sowie Annedore Leber, Witwe des am 20. Juli 44 hingerichteten Widerstandskämpfers Julius Leber und erste Leiterin des Frauensekretariats beim Zentralausschuss.
Für die Widerstandsgruppe um Julius Leber hatte Herbert Antoine – wenn auch vergeblich – die Übernahme der Reichs-Rundfunkanstalt nach Hitlers Beseitigung vorbereitet. Auch zu anderen Sozialdemokraten und Widerstandskämpfern hatte er bis zuletzt Kontakt.
1929 war Herbert Antoine in die SPD eingetreten. Nach der Machtübernahme der Nazis wurde er als Leiter der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit und Statistik bei der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft entlassen, blieb dann arbeitslos, bis er schließlich als Statistik-Fachmann bei einem Industrieunternehmen Arbeit fand.
Naziterror und Verfolgung hatten im Mai 45 ein Ende. Herbert Antoine wurde nach dem Einmarsch der sowjetischen Truppen Vertrauensmann seiner Straße, er sorgte für die Verteilung von Lebensmittelkarten und die Klärung der wichtigsten kommunalen Probleme. „In den ersten Wochen“, sagt er, „gab es eine enge Zusammenarbeit auch mit jenen, die später zur CDU gingen. Wir hatten ja alle die gleichen Sorgen.“

Wilhelm Griebel, Oskar Tittmann und Richard Draemert verfassten Anfang Juni einen Aufruf an alle Zehlendorfer Sozialdemokraten, beim Aufbau der Partei mitzuhelfen. „Dieser Aufruf wurde hier ringsum an den Bäumen befestigt“, erinnert sich Herbert Antoine. „An einem Sonntag im Juni fand die erste Zusammenkunft im Haus von Gniffke in der Ihnestraße statt.“
Karl Hoffmann wurde hier zum Vorsitzenden gewählt, Richard Draemert sein Stellvertreter, Karl Schott Kassierer und Herbert Antoine Schriftführer. „Der Verkehr mit den Außenbezirken funktionierte ja noch nicht. Als jüngster im Vorstand musste ich per Fahrrad die ersten Kontakte herstellen, zum Beispiel mit Max Floerke in Wannsee, der in seinem Bereich mit dem Aufbau der SPD begonnen hatte.“

Die Zehlendorfer Parteien, die Sozialdemokraten, die Kommunisten, die neu gegründete CDU und die Liberaldemokratische Partei, arbeiteten im „Vier-Parteien-Aktions-Ausschuss“ zusammen. Das Verhältnis zu den Kommunisten, so Antoine, sei „kühl und sachlich“ gewesen.
„Wir haben die Zehlendorfer Sozialdemokraten eine ganze Reihe von Veranstaltungen durchgeführt, die uns schnell ins Bewusstsein der Bevölkerung gebracht haben. Das hat später zweimal dazu geführt, dass wir im Bezirk die absolute Mehrheit errangen.“
Als Zehlendorfer Vertreter nahm Herbert Antoine auch an Sitzungen des SPD-Zentralausschusses teil. Zehlendorfer Mitstreiter wie Erich Gniffke sprachen sich dort inzwischen immer vehementer für die Zusammenarbeit mit der KPD aus, die Zentralausschuss-Mitglieder Fritz Neubecker und Karl Germer sowie der Reinickendorfer Kreisvorsitzende Franz Neumann organisierten den Widerstand dagegen.
„Der Zehlendorfer Kreisparteitag hat sich am 24.3.1946 mit überwältigender Mehrheit gegen den sofortigen Zusammenschluss mit der KPD ausgesprochen“, erinnert sich Herbert Antoine. Erich Gniffke übrigens, der dem ersten Zentralkomitee der neuen SED angehörte, kehrte schon 1948 in den Westen zurück.
Bei der Urabstimmung über den Zusammenschluss am 31. März stimmten nur 124 Zehlendorfer Sozialdemokraten für eine Verschmelzung mit der KPD, 753 aber dagegen. Ein Bündnis dagegen befürworteten 573 Sozialdemokraten, nur 224 stimmten auch in dieser Frage mit Nein.
Am 7. April, nachdem sich in den Westsektoren über 82 Prozent der Parteimitglieder für die Eigenständigkeit entschieden hatten, tagte in der Zehlendorfer Zinnowwaldschule der 2. Landesparteitag der SPD, auf dem die Vorsitzenden Neumann, Swolinzky und Germer beauftragt werden, bei den Alliierten die weitere Zulassung der SPD zu beantragen. „ Diese klare Haltung“, sagt Herbert Antoine, „hat sich ausgezahlt. Auch nach den Wahlen 46 war unser Leitspruch in den Bezirksverordnetenversammlung: Lieber einmal überstimmt, als unbestimmt.“

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Herbert Antoine, 1945 mit der Leitung des Zehlendorfer Preisamtes beauftragt, wurde 1946 Angestellter der SPD-Parteiführung und nach den Wahlen erster SPD-Fraktionsvorsitzender in der Zehlendorfer BVV. Von 1948 an bestimmte er dann wesentlich den Aufbau des Senders Freies Berlin.

Ulrich Horb

aus: Berliner Stimme, Juni 1985

 

 

Über Ulrich Horb

Jahrgang 1955, Journalist und Fotograf in Berlin
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