Dreizehneinhalb Jahre hat er die Stadt regiert. Jahre, in denen sich Berlin rasant verändert hat. Aus der behäbigen Stadt, die über ihre Verhältnisse lebte, wurde eine moderne und lebendige Metropole, die internationale Strahlkraft entwickelte. Nicht zuletzt, weil ihr Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit dafür sorgte. In seinem neuen Buch erzählt er jetzt von den Veränderungen der Stadt und von den Möglichkeiten der Politik, Einfluss zu nehmen.
Klaus Wowereit, der der Stadt einst den Stempel „Arm, aber sexy“ aufdrückte, erklärt schon im Buchtitel, wo er die Stadt heute sieht: „Sexy, aber nicht mehr so arm“. Drei Jahre liegt sein selbstgewählter Rücktritt zurück, mit seinem Buch will er jetzt erklärtermaßen die Stadt ins richtige Licht rücken, nicht seine Amtszeit. Sachlich, abwägend und argumentativ ist seine Bestandsaufnahme, untermauert mit vielen Zahlen und Fakten.
Dazu gehört auch ein kurzer Blick auf die Mechanismen von Politik, auf eine schnelllebige Medienwelt, auf den Wert von Vertrauen. Vieles funktioniert entgegen gängigen Vorurteilen gut, sowohl in der Verwaltung als auch in der Politik, deren Aufgabe die Abwägung vieler unterschiedlicher Einzelinteressen ist. „Keine kluge Entscheidung“ sei es allerdings gewesen, das Durchgriffsrecht des Senats gegenüber den Bezirken abzuschaffen, so Wowereit. Und er plädiert für „politische Bezirksämter“, in denen sich Mehrheiten spiegeln, statt alle Parteien zu beteiligen.
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Kurz streift Klaus Wowereit noch einmal seine erste Wahl zum Regierenden Bürgermeister 2001, sein Outing („Ich bin schwul, und das ist auch gut so“), das Umsteuern in der Finanzpolitik, ohne das es heute keine Spielräume für Investitionen gäbe. Viel mehr Raum nimmt er sich, um die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Stadt zu beschreiben und die Ursachen zu ergründen. Die alte Industrie war aus der geteilten Stadt abgewandert, heute haben sich neue, kleinteilige, zukunftsorientierte Firmen angesiedelt. Die Stadt bot die Räume dazu. Kultur hat für Klaus Wowereit als ehemaligem Kultursenator einen besonderen Stellenwert. Ihre Vielfältigkeit ist auch durch ihn gesichert worden.
Viele Probleme Berlins seien exemplarisch für Metropolen, betont Wowereit. Städte unterliegen ständigen Veränderungen. Verdrängungsprozesse müssten dabei gebremst werden, soweit politisch möglich, etwa mit dem Bau günstiger Studentenwohnungen und von preiswertem Wohnraum für Rentnerinnen und Rentner. Wowereit: „Jede Berufsgruppe, deren Leistungen die Bewohner einer Stadt in Anspruch nehmen möchten, muss sich das Leben in dieser Stadt leisten können.“ Zukunftsthemen sind für ihn die Mobilität in einer wachsenden Stadt oder die Entwicklung einer Smart-City, in der behördliche Dienstleistungen über das Internet einfach und sicher zu erledigen sind. Aber auch die Vergangenheit wird nicht gänzlich ausgespart: In einem Kapitel erläutert Wowereit knapp und präzise, warum der Flughafen BER nicht wie geplant eröffnet wurde. Ein Makel seiner Amtszeit, der ihn bis heute schmerze, so Klaus Wowereit.
Ratschläge möchte er eigentlich nicht geben. Seiner Partei, der SPD, aber empfiehlt er, erkennbar zu klären, wo sie inhaltlich steht. Er setzt dabei auf den Schwung der Neumitglieder und der Jusos.
Ulrich Horb
Klaus Wowereit, Sexy, aber nicht mehr so arm: mein Berlin, Mai 2018, 256 S., ISBN-13: 978-3841905109, 19,95 Euro