„SFB mon amour“: Alexander Kulpoks Geschichte einer Berliner Institution

Cover Alexander Kulpok „SFB mon amour“

1954 bekam der Westteil Berlins nach vielem Hin und Her eine eigene ARD-Sendeanstalt, den Sender Freies Berlin (SFB). Der langjährige SFB-Journalist Alexander Kulpok hat jetzt eine informative und unterhaltsame Geschichte des Senders verfasst – seine persönliche Liebeserklärung an eine Berliner Institution: „SFB mon amour“.  Eine Geschichte, die zugleich viele Einblicke in das Leben und den Alltag des alten West-Berlin liefert.

Den Anfang machte ein unscheinbarer Klingelknopf in der Friedenauer Fregestraße 17.  Im März 1954 hatte hier der frisch gegründete Sender Freies Berlin sein erstes Büro, den Sendebetrieb nahm er dann am 1. Juni im Studio am Heidelberger Platz auf, aus dem bis dahin der Nordwestdeutsche Rundfunk NWDR gefunkt hatte.

Schon seit 1948 war in den Westsektoren der Wunsch nach einer eigenen Rundfunkanstalt gewachsen. Aus dem bis Mitte der fünfziger Jahre von den Sowjets besetzten Haus des Rundfunks an der Masurenallee sendete der „Berliner Rundfunk“ ein Programm, das vor allem die Vorzüge des DDR-Systems aufzeigen sollte. Der von den Amerikanern initiierte RIAS, die „freie Stimme dr freien Welt“ funkte aus Schöneberg die Vorzüge des Westens über die Grenze. Und der NWDR, die für Berlin bislang zuständige ARD-Sendeanstalt mit einem Sendegebiet von Hamburg bis Köln, lieferte nach dem Eindruck der Berliner Politiker zu wenig berlinspezifische Informationen.  So erhielt Herbert Antoine, Zehlendorfer Sozialdemokrat und Rundfunkpionier der zwanziger Jahre, den Auftrag als Beauftragter des Senats den Aufbau des SFB zu organisieren. Gegen zahlreiche Widerstände – politischer Gegenwind, fehlende Frequenzen –  setzte er sich durch.

„Es ist 4 Uhr 57 – Dienstag, der 1. Juni 1954.“ Mit diesen Worten und den Klängen der Freiheitsglocke aus dem Rathaus Schöneberg startete Intendant Alfred Braun die zwei SFB-Hörfunkprogramme, die bald um Fernsehsendungen ergänzt wurden.  Ende 1957 zog der SFB ins Haus des Rundfunks an der Masurenallee, das von den Sowjets inzwischen geräumt worden war.

Alexander Kulpok. Foto: Ulrich Horb

Alexander Kulpok. Foto: Ulrich Horb

Für Alexander Kulpok war es eine schwierige und einige Zeit unerwiderte Liebe zum Sender.  Nachdem ein erstes Vorsprechen als Nachrichtensprecher beim SFB erfolglos war, arbeitete er für Berliner Zeitungen und Zeitschriften, beim Telegraf, bei Ullstein und beim RIAS. Erst eine Probereportage für den SFB-Zeitfunk bringt den Durchbruch, dem eine lange Zeit der Mitarbeit folgt, für den Hörfunk, das Fernsehen und schließlich für die Videotextredaktion der  ARD.

In „SFB mon amour“ erzählt Alexander Kulpok vom schwierigen Start des Senders, von den Altlasten aus der NS-Zeit, von Intrigen und Machtkämpfen.  In vielen kleinen Geschichten berichtet er vom Alltag im Sender und von den Sternstunden der Berichterstattung. Er begleitete Willy Brandt nach Paris, begegnete Marlene Dietrich, erlebte die Berichterstattung zum Mauerbau 1961, zum Kennedy-Besuch 1963, zum Tod von Benno Ohnesorg. Er erinnert an Kollegen, die im SFB ihre Karriere begannen wie Moderator Hans Rosenthal oder Johannes B. Kerner, beschreibt den Streit um die Besetzung von Intendantenposten und Positionen im Sender und erinnert an die Zeiten des Kalten Kriegs, die sich in manchem SFB-Kommentar spiegelten.

Auch als eine der kleinen ARD-Anstalten hat der SFB Rundfunkgeschichte geschrieben. So erinnert Kulpok an das erste Stereokonzert, das Weihnachten 1958 ausgestrahlt wurde, empfangbar noch auf zwei unterschiedlichen Wellen mit zwei verschiedenen UKW-Radios. Bei der Stereofonie hatte der SFB ebenso wie später mit der Einführung des Videotextes eine Vorreiterrolle.

Kultcharakter hatten die „Abendschau“, die ab 1958 im Ersten Fernsehprogramm lief und allabendlich in Ost und West verfolgt wurde. Aber auch Sendereihen wie „Rund um die Berolina“, Deutschlands älteste Hörfunk-Magazinsendung, waren mit dem Namen SFB verbunden. Der s-f-beat prägte Generationen, der „Frauenfunk“ setzte Maßstäbe und mit dem Feature „Hyänen“, dem stereophonen Belauschen einer sonst eher schlecht beleumundeten Tierart, gelang ihm, so Alexander Kulpok, „die meistgehörte Radiosendung der Welt“.

Viele Bilder aus dem privaten Archiv Alexander Kulpoks und eine Zeittafel runden den Band ab. Am 1. Mai 2003 ging der SFB mit dem Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg im RBB auf.   Ulrich Horb

Alexander Kulpok, „SFB mon amour“, Berlin 2019,  ISBN-13: 9783864082450, 22,99 EUR.

(Dank an den Ullstein-Bilderdienst, in dessen Archiv sich die Hausnummer des ersten SFB-Büros in der Fregestraße finden ließ)

Über Ulrich Horb

Jahrgang 1955, Journalist und Fotograf in Berlin
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Eine Antwort zu „SFB mon amour“: Alexander Kulpoks Geschichte einer Berliner Institution

  1. Danke, lieber Uli, für den gehaltvollen Lesetipp. Geht auf die Einkaufsliste eines s-f-beat-Geprägten. Bis bald mal wieder!

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