Im Mai und Juni 1972 erneuerten Bauarbeiter in der Nähe des Nettelbeckplatzes die Fahrbahndecke der Pankstraße. Als die alte Betondecke vor den Häusern 11 bis 13 entfernt wurde, kam in 50 bis 60 Zentimetern Tiefe eine feste Schlackenschicht zum Vorschein – die mindestens sechs Meter breite Fahrbahndecke einer älteren Straße, die hier entlanggeführt hatte.
Für Günter Wettstädt, den ehrenamtlichen Bodendenkmalpfleger für den Bezirk Wedding, waren die Straßenbauarbeiten ein Glücksfall. Schon am 2. Mai war er auf die Baustelle aufmerksam geworden, Bauleiter Papke führte ihn zur Baugrube vor dem Häusern Pankstraße 11 bis 13. Hier wie auch vor den Häusern 6 bis 10 ließ sich der alte Straßenaufbau noch gut erkennen. Wettstädt schätzte, dass er aus den Jahren 1825 bis 1828 stammte. In 1,7 bis 2 Meter Tiefe lagen ältere Siedlungsreste, Scherben, Knochen.
Auch unter dem Mittelstreifen der Pankstraße an der Einmündung zum Nettelbeckplatz, dort wo das Gleisbett der Straßenbahn angelegt war, fanden sich in 80 Zentimetern Tiefe Keramikscherben, Bronzereste und Knochen, die auf eine frühere Besiedlung hinwiesen. So haben wohl zur römischen Kaiserzeit und noch einmal im Mittelalter Menschen hier gewohnt und gearbeitet.
Nur selten gibt es in einer Großstadt wie Berlin noch die Möglichkeit zu archäologischen Grabungen. Straßenbau erfolgt heute meist mit schwerem Gerät ohne Rücksicht auf vergrabene historische Schätze. Und durch die über die Jahrzehnte erfolgte Verlegung von Leitungen und Kanalisation wurden einzelne Erdschichten an vielen Stellen vermischt.
Einige Zufallsfunde, etwa das 10.000 Jahre alte Skelett eines Elches, das Bauarbeiter 1956 nebst einer Stoßwaffe aus Rengeweih am Hansaplatz in Moabit freilegten, geben Aufschluss über die steinzeitliche Tierwelt. So weiß man, dass im Raum Berlin Mammuts, Wollnashörner, Rentiere, Bären und Wisente lebten, mit der zunehmenden Erwärmung zu Beginn der Mittelsteinzeit, etwa 9600 v. Chr., neben Elchen auch Löwen oder Hyänen. Hatten die steinzeitlichen Jäger zunächst in Höhlen und Zelten genächtigt, wohl auch im Gebiet des heutigen Wedding, wurden sie nun zunehmend sesshaft, zumindest solange der Boden fruchtbar blieb.
Bronzezeitliche Siedlungsstrukturen konnten bislang im Bereich des heutigen Wedding nicht gefunden werden. Gräber aus dem ersten und zweiten Jahrtausend vor Christus wurden bei Schmöckwitz, in Rudow und Lichterfelde entdeckt, Reste eines Dorfes bei Buch.
Wettstädt nutzte die Bauarbeiten an der Pankstraße für einige gezielte archäologische Untersuchungen. Kleinere Felder wurden innerhalb der Baustelle abgesteckt, Bodenschichten erfasst. Eile war nötig, weil die Umleitung nicht lange aufrechterhalten werden konnte. Penibel führte der Bezirkspfleger Buch über Funde. Und er hielt auch fest, was in früheren Jahrzehnten im Weddinger Boden gefunden wurde, inzwischen aber fast vollständig verloren gegangen war. Nur noch alte Aufzeichnungen zeugten davon. Bronzenägel aus den Rehbergen, Mammut- und Nashornknochen aus einer Kiesgrube am Kurt-Schumacher-Damm, Urnen am früheren Artillerieschießplatz an der Exerzierstraße, eine bronzene Urne mit Armringen am Leopoldplatz, der Griff eines Tontiegels und Austernschalen am Weddingplatz. Beim Brunnenbau an der Stettiner Straße wurde 1882 eine römische Bronzemünze aus dem 2. Jahrhundert ausgegraben.
Immerhin: Anhaltspunkte zur früheren Besiedlung des Wedding geben die Funde schon. „Das Gebiet an der Pankstraße, durch die günstige geographische Lage bedingt, war wahrscheinlich in der jüngsten Bronzezeit, der Eisenzeit und der römischen Kaiserzeit bevorzugtes Siedlungsgebiet“, so Wettstädt.