Wedding: Immer in Veränderung

Cover „Der Wedding“ von Bernd Schimmler.

Wiesenstraße, Rehberge, Müllerstraße, Koloniestraße: Einige Orts- und Straßennamen erinnern noch an die Frühzeit des Wedding. Wie sich aus der sandigen Heidelandschaft vor den Toren Berlins ein engbebautes Stadtquartier für Arbeiterfamilien entwickelte, wie Mauerbau und Sanierung den Bezirk veränderten, das beschreibt Bernd Schimmler, Vorsitzender des Weddinger Heimatvereins in seinem faktenreichen  Buch „Der Wedding – Vergangenheit und Veränderung“.

1251 wird der Wedding erstmals urkundlich erwähnt, als Spandauer Nonnen eine dortige Mühle für 21 Silbermark kaufen. Lange interessiert sich niemand für das karge Land, es dient als Weide für Tiere der Berliner Bürger, preußische Regenten jagen hier Fasane und Kaninchen. Anfang des 17. Jahrhunderts entsteht im Bereich der heutigen Pank- und Reinickendorfer Straße ein Vorwerksgehöft. Einen ersten Aufschwung erfährt der Wedding mit der Ansiedlung von Kolonisten an der Panke, darunter viele aus Frankreich geflüchtete Hugenotten. Mit der Entdeckung und Vermarktung einer eisenhaltigen Quelle wird der Gesundbrunnen Ende des 18. Jahrhunderts zum Ausflugsziel für die Berlinerinnen und Berliner. 1861 werden Wedding und Gesundbrunnen nach Berlin eingemeindet. Bis zuletzt hatte sich Berlin gegen die Übernahme der „Armenkolonie“ gewehrt.

Die Industrialisierung verändert den Wedding vollständig. Für die Arbeiterfamilien entstehen enge Mietskasernen wie Meyers-Hof mit sechs düsteren Hinterhöfen. Die Monatsmiete verschlingt einen Wochenlohn. Bernd Schimmler berichtet vom sozialen Elend und vom gleichzeitigen Aufstieg der Sozialdemokratie im Wedding. Der Reichstagswahlkreis VI ist der erste, in dem sie einen Abgeordneten stellt. Bis 1933 bleibt der Wedding „rot“, Sozialdemokraten sorgen in der Weimarer Zeit für eine Verbesserung der Wohnsituation, moderne Neubauquartiere wie die Friedrich-Ebert-Siedlung entstehen.

Bernd Schimmler  entwirft ein vielfältiges Bild vom Wedding, er beschreibt die Kirchengeschichte, zu der der Bau der alten Nazarethkirche nach Plänen von Karl Friedrich Schinkel gehört, er erzählt von bemerkenswerten Industriebauten wie der AEG, von der Anlage der Weddinger Grünflächen und Volksparks, widmet der Kriminalgeschichte ein eigenes Kapitel und berichtet vom Aufbau in der Nachkriegszeit. Der Wedding hat viele Geschichten.

Bernd Schimmler, Der Wedding – Vergangenheit und Veränderung, Berlin 2022, 250 S., 20 EUR

 

Über Ulrich Horb

Jahrgang 1955, Journalist und Fotograf in Berlin
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