1914 erreicht die Zahl der Schwestern im der Diakonissenanstalt Bethanien mit 434 einen Höchststand. Dennoch bleibt das Bethanien hinter der Größe von Diakonissenhäusern außerhalb Berlins zurück- Pastor W. Langer erklärt das in seinem Rückblick zum hundertjährigen Bestehen Bethaniens mit dem „kirchlichen Hinterland“, das in einer Weltstadt wie Berlin eben anders sei als in der Provinz, in der die Kirche stärker verankert sei. Und auch den Berliner Kirchengemeinden ist das Diakonissenhaus „längst nicht so nahe verbunden“, wie Langer feststellt.
Während sich ein Großteil des Bürgertums im Sommer 1914 bereits weitgehend euphorisch auf den nahenden Krieg einstellt, warnt die Sozialdemokratie, die im Umfeld des Bethanien stark verankert ist, eindringlich: „Kein Tropfen Blut eines deutschen Soldaten darf dem Machtkitzel der österreichischen Gewalthaber, den imperialistischen Profitinteressen geopfert werden“, stellt der Parteivorstand in einer Erklärung Ende Juli 1914 fest. Am 28. Juli ruft die SPD die Arbeiter Berlins und der Vororte zu 32 Versammlungen „gegen den Krieg“. Mindestens 30.000 beteiligen sich trotz eines Verbots durch Polizeipräsident von Jagow daran. Dass die SPD-Reichstagsfraktion letztlich doch den Kriegskrediten zustimmt, wird gerade in Berlin in den kommenden Monaten zur Zerreißprobe.
Mit dem Beginn des 1. Weltkriegs sind 105 Diakonissen des Bethanien als Lazarettschwestern im Einsatz an verschiedenen Kriegsschauplätzen im Osten wie im Westen. 200 Betten im Krankenhaus werden für Kriegsverwundete reserviert. Oberin und Pastor des Bethanien besuchen die Schwestern an der Front. „Im Laufe der Kriegsjahre“, so berichtet es Pastor Langer, „verringerte sich die Zahl der im Kriegsdienst stehenden Schwestern auf 40 Diakonissen und 13 Johanniterschwestern. Die Aufgaben der Heimat wuchsen mit der Dauer des Krieges und machten auch da die Verstärkung der Schwesternzahl notwendig.“ Ab 1916 wird die Zahl der Lazarettbetten auf 130 herabgesetzt, um mehr erkrankte Zivilisten aufnehmen zu können. Max Martens (1869-1932), seit 1903 Leiter der Chirurgie, wird während des Kriegs Generaloberarzt im Felde und macht die Militärchirurgie zu einem seiner Schwerpunkte. 1920 wird Martens zum außerordentlichen Professor ernannt. Bis zu seinem Tode bleibt er am Bethanien.
1917 werden Orgelpfeifen und Glocken des Bethanien für Kriegszwecke abgeliefert. 1918 machen mangelhafte Ernährung Kranken und Schwestern zu schaffen. Eine Grippeepidemie greift um sich, im Herbst 118 sind 40 Schwestern gleichzeitig erkrankt, mehrere von ihnen sterben.
Den Einsatz an der Front haben die mit dem Kaiserreich verbundenen und von durchweg adligen Oberinnen geführten Diakonissen als „Dienst am Vaterland“ empfunden. Die Revolution 1918 traf das Bethanien, das, so Pastor Langer, „in seinem Werden und Wachsen mit den regierenden Persönlichkeiten so eng verknüpft war“, besonders.
Am 9. November 1918 brach sich der Unmut über den Lebensmittelmangel und das politische Versagen in der Berliner Bevölkerung Bahn. Nachdem in Berlin Arbeiter in den Streik getreten waren, übergab Reichskanzler Max von Baden sein Amt an den Sozialdemokraten Friedrich Ebert und erklärte die Abdankung des Kaisers. Sozialdemokrat Philipp Scheidemann rief die Republik aus, Karl Liebknecht für den Spartakusbund die „Freie Sozialistische Republik“. Ebert, Vertreter der Mehrheitssozialdemokratie, bekam den Rückhalt von Wilhelm Groener, General der Obersten Heeresleitung, und bildete mit der USPD den Rat der Volksbeauftragten. Zum Jahreswechsel 1918/1919 verließen die USPD-Mitglieder aus Empörung über den bekannt gewordenen Pakt Eberts mit Groener die Regierung, revolutionäre Arbeiter und Anhänger der gerade am 31. Dezember gegründeten KPD besetzten das westlich von der Luisenstadt gelegene Zeitungsviertel und Teile der Innenstadt, Ebert setzte schließlich Regierungstruppen ein. Rechtsradikale Mitglieder von Freikorps ermorden Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht.
Pastor Langer beschreibt die Ereignisse rund um das Bethanien: „Die politischen Gärungen jener Zeit warfen ihre Wellen auch um das Haus und an das Haus, indem in Bethaniens Nachbarschaft die bewaffneten Scharen des Bruderkrieges sich austobten, deren Opfer dem Krankenhause übergeben wurden, und die Fieber des schwerkranken Arbeitslebens sich in immerwährenden Streiks kundtaten, unter denen die Aufrechterhaltung des Anstaltslebens zu einer wahren Not und Pein wurde. Viele Verwundete füllten das Krankenhaus, militärische Wachtpostenwurden einquartiert, der Verkehr auch nur mit der Nachbarschaft auf das schlimmste erschwert, die Rechtsunsicherheit auch innerhalb des Hauses wuchs bedenklich.“
Bei den Wahlen am 19. Januar 1919 wurde die SPD die mit Abstand stärkste Partei, in Berlin kommt sie auf 36,4 Prozent, die linke USPD auf 27,6 Prozent. Die Luisenstadt ist weiter Hochburg der Arbeiterparteien.