Bethanien: Diakonissen, Besetzer, Künstler (III)

Bethanien: Spaziergänger am Mariannenplatz. Sammlung: U. Horb

Bethanien: Spaziergänger am Mariannenplatz. Sammlung: U. Horb

Im März 1848 arbeitete Theodor Fontane in der Jungschen Apotheke, an der Ecke von Neuer Königs- und Georgenkirchstraße. „Ein glänzend fundiertes Geschäft“, wie Fontane später berichtete, „aber von vorstädtischem Charakter, so daß das Publikum vorwiegend aus mittlerer Kaufmannschaft und kleineren Handwerkern bestand. Dazu viel Proletariat mit vielen Kindern.“

Von Baden aus drang die Revolution langsam gen Osten vor. „Vom dreizehnten bis siebzehnten hatten kleine Straßenkrawalle stattgefunden, alles sehr unbedeutend, nur anstrengend für die Truppen, die, weil beständig alarmiert, einen sehr schweren Dienst hatten“, notierte Fontane, der drei Jahre zuvor seinen einjährigen Militärdienst absolviert hatte. Am 18. März war zu einer Demonstration auf dem Schlossplatz aufgerufen worden. Plötzlich aber hieß es, der König, der eigentlich die Rückkehr zum alten Ständesystem bevorzugte, habe nun die wesentlichen Forderungen „bewilligt“. Die Menschen strömen zum Schloss, um sich davon zu überzeugen.

„Der Schloßplatz“, so Fontane, „füllte sich immer mehr mit Menschen, was anfangs nicht auffiel, bald aber dem König ein Mißbehagen einflößte, weshalb er zwischen ein und zwei Uhr dem an Stelle des Generals von Pfuel mit dem Kommando der Truppen betrauten General von Prittwitz den Befehl erteilte, die beständig anwachsende Menschenmasse vom Schloßplatz wegzuschaffen.“ Durch die Schloßfreiheit reiten Gardedragoner zum Schloßplatz, schwenken ein und versuchen die Berlinerinnen und Berliner abzudrängen, Säbel werden gezogen. Die empörte Masse wehrt sich, versucht einzelne Dragoner vom Pferd zu reißen. Aus dem mittleren und kleineren Schlossportal kommen Schützen (Tirailleure), erste Schüsse fallen. Panik, Wut und Empörung sind die Folge.


Fontane, noch in der Apotheke, will ein Sturmgeläut in der gegenüberliegenden Georgenkirche auslösen, scheitert aber an der verrammelten Kirchentür. In den Straßen werden Barrikaden errichtet, aus umgeworfenen Wagen, aus Kulissen des Königstädter Theaters. Auf den Dächern postieren sich Revolutionäre mit Wurfgeschossen. In der Nacht kommt es zu Kämpfen, die über 200 Todesopfer fordern. 183 Särge werden symbolisch für die Märzgefallenen am Schloss aufgebahrt. Die Gefallenen sind Arbeiter, Handwerksgesellen, Kaufmännische Angestellte. Ihnen muss der König die letzte Ehre erweisen. Auf der höchsten Erhebung des Parkgeländes Friedrichshain entsteht für sie ein gemeinschaftlicher Friedhof.

In der konservativen Diakonissenanstalt Bethanien werden 48  verwundete  Barrikadenkämpfer eingeliefert, elf von ihnen sterben an Wundbrand. Das ohnehin nicht große Vertrauen der Berlinerinnen und Berliner in die Krankenanstalt sinkt weiter.    Während im Mai 1848 die Wahlen zur Nationalversammlung laufen, bekommt Fontane das Angebot von seinem Freund Pastor Schultz aus dem Bethanien, die pharmazeutisch-wissenschaftliche Ausbildung zweier bethanischer Schwestern zu übernehmen, die künftig den bethanischen Apothekendienst übernehmen sollen. Schon im Juni zieht Fontane im Ärztehaus des Bethanien ein, wo ihn „auskömmliches Gehalt, freie Wohnung und Verpflegung“ erwarten. Auf dem Köpenicker Feld übt die Bürgerwehr gerade Schießen, als Fontane ankommt.

Oberin der Diakonissen ist Gräfin von Rantzau. Sie war „klug und kannte die Menschen“, urteilte Fontane. Die gesundheitlich angeschlagene Oberin hat etwa 20 Diakonissen und noch einmal so viele Schwestern in der Vorbereitungszeit zur Seite. Und sie muss die öffentliche Meinung mit der Einrichtung versöhnen, denn, so berichtet Fontane, „die Berliner Bevölkerung wollte von dem ganzen auf protestantischer und, wie mancher fürchtete, vielleicht sogar auf katholischer Kirchlichkeit aufgebauten Krankenhause nicht viel wissen“.

Seine beiden Schülerinnen, Schwester Emmy Danckwerts und Schwester Aurelie von Platen bestehen ein Jahr später das Examen vor einer eigens dazu berufenen Kommission. Im Herbst 1849 verlässt Fontane das ruhige Bethanien. Die Apotheke, im Erdgeschoss der Nordost-Ecke des Hauptgebäudes gelegen, ist heute noch zu besichtigen, sie steht unter der Obhut des Friedrichshain-Kreuzberg-Museums.

(Hinweis: Die hier verwendeten Abbildungen stammen aus dem eigenen Archiv. Sollte es dennoch einmal Unklarheiten bezüglich des Urheberrechts geben, wenden Sie sich bitte einfach per Mail an mich: info@ulrich-horb.de)

Über Ulrich Horb

Jahrgang 1955, Journalist und Fotograf in Berlin
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