Zwei Motive finden sich auf vielen seiner Zeichnungen und Gemälde: zum einen die Berliner Arbeiterinnen und Arbeiter, zum anderen die Welt der Eisenbahn. Der Zeichner und Maler Hans Baluschek (1870 – 1935) hat die Entwicklungen seiner Zeit im Bild festgehalten und mitgeprägt. Von den Nazis wurde er verfolgt, in der Nachkriegszeit blieb er lange unbeachtet. Erst 1975 würdigte das Kunstamt Kreuzberg ihn mit einer größeren Ausstellung. 1985 erschien in der DDR eine Biographie von Günter Meißner, die Baluschek u.a. als „Humanisten an der Seite der Sozialdemokratie“ beschreibt.
Hans Baluschek stammte aus einer bürgerlichen Breslauer Familie, der Vater war Regierungslandmesser und Eisenbahningenieur. Er brachte den Sohn schon früh mit dem Eisenbahnwesen in Berührung.
Meißner beschreibt Kindheit und Jugend Baluscheks, schildert die Entwicklung des Malers, der vom Naturalismus geprägt wurde und mit Neugier die modernen technischen Entwicklungen beobachtete. Auf 75 Seiten erzählt Meißner vom künstlerischen und persönlichen Lebensweg Baluscheks, ebenso viele Seiten sind Farb- und Schwarzweiß-Reproduktionen von Werken Baluscheks gewidmet. Im Anhang hat Meißner Selbsteinschätzungen Baluscheks und Wertungen zeitgenössischer Kritiker zusammengestellt.
Baluschek, so schildert es Meißner, malte und zeichnete aus der Erinnerung. Es gibt nur wenige Skizzen. Die Motive, die er beobachtete, sind „trotz Detailfülle und topographisch genau anmutender Ortsangaben nicht vor der Natur entstanden“. Es sind meist verdichtete und typische Zeugnisse des Elends in den Arbeiterquartieren und den Fabriken, die sich Baluschek einprägte und in seinen Bildern zusammenfügte.
Meißner teilt das Schaffen Baluscheks in verschiedene Phasen ein. „Seine Technik reifte schon in der Studienzeit seit 1891“, so Meißner, sie habe sich „später nur in Details vervollkommnet“. Er beschreibt sie als die Baluschek „eigene Malerzeichner-Technik“. Ausstellungen im Salon Gurlitt, die Teilnahme an der Großen Berliner Kunstausstellung, all das machte Baluschek langsam bekannter, aber Geld verdiente er zunächst mit grafischen Aufträgen wie der zum Teil jugendstiligen Gestaltung von Exlibris und Buchumschlägen.
In Mischtechnik entstanden Darstellungen von Menschengruppen in Tanzlokalen oder auf Rummelplätzen, auf der Suche nach Ablenkung und Vergnügung. Er fand, teils mit ironischer Distanz, das „Typische“, zeichnete für das satirische „Narrenschiff“. Eisenbahnmotive fand er vor seiner Haustür: Von seiner Wohnung in der Schöneberger Cheruskerstraße hatte er die Gleise und Signalanlagen der Wannseebahn im Blick, genauso wie später von seiner Atelierwohnung im Turm der Ceciliengärten, von der aus er auf den Bahnhof Friedenau blicken konnte.
Mit Max Liebermann engagierte er sich in der Künstlervereinigung Berliner Sezession, folgte Liebermann in die Abspaltung der „Freien Sezession“. Die Schaffenszeit während seiner Mitgliedschaft in der Berliner Sezession bezeichnet Meißner als „die bedeutendste Periode seiner Kunst“. In dieser Zeit habe er seine „entwicklungsgeschichtlich bedeutendsten, auch aggressivsten Werke geschaffen, die in der deutschen Malerei der Zeit nichts Vergleichbares haben“. Inmitten vieler künstlerischer Umbrüche geht Baluschek, so Meißner, „seinen Weg als Bewahrer eines sozialen Realismus“.
Baluschek war vielseitig, er veröffentlichte Bücher mit Novellen über das Leben in der Großstadt, er illustrierte „Peterchens Mondfahrt“ und andere Kinderbücher. Ab 1920 war er in der SPD aktiv. Die Freundschaft mit Otto Nagel, der sich in der KPD engagierte, blieb davon trotz zunehmender Auseinandersetzungen zwischen den beiden Arbeiterparteien unbeeinflusst, beide Künstler arbeiteten zum Beispiel 1929 beim proletarischen Filmprojekt „Mutter Krausens Fahrt ins Glück“ mit.
1935 starb Baluschek. Der sozialdemokratische Kunstkritiker Adolf Behne würdigte ihn: Seine Kunst habe „das Gewissen der Zeit in sich“.
Meißner, Günter , Hans Baluschek, VEB Verlag der Kunst Dresden 1985, 185 S.20 x 20 cm