Intime Momente auf einem öffentlichen Platz

Cover Harald Hauswald: Alexanderplatz

Cover Harald Hauswald: Alexanderplatz

Er beobachtete die Stadt, die Stasi beobachtete ihn. Unter dem Namen „Radfahrer“  legten die DDR-Geheimdienstler eine Akte über den Fotografen Harald Hauswald an, der mit seiner Praktika-Kamera, später einer japanischen Canon,  durch Ost-Berlin zog und festhielt, was ihn interessierte. Dabei  nahm er ein einfühlsames Bild seiner Umgebung auf, aber ein wohl zu realistisches in den Augen der Stasi. Konzentriert auf einen einzelnen Ort zeigt der 2007 im Jaron-Verlag erschienene Bildband „Alexanderplatz“ Hauswalds Blick und seine Motivwahl.

Im Osten schlug sich der gelernte Fotograf anfangs mit Jobs als Heizer oder Fotolaborant durch. Veröffentlicht wurden seine Schwarz-Weiß-Aufnahmen meist in westlichen Medien, ihren Weg dorthin fanden sie über westliche Korrespondenten.  1987 veröffentlichte er mit Lutz Rathenow das Buch „Berlin-Ost: Die andere Seite einer Stadt“.

Als „magischen Ort“ sieht Hauswald den Alexanderplatz. Seit Ende der siebziger Jahre hat er den Platz und die nähere Umgebung immer wieder in regelmäßigen Abständen aufgesucht, auch wenn er dort oft nicht allzu viel außer Wind vorfand. „Mich reizt immer wieder die Konstellation zwischen Architektur und Mensch, besonders um den Fernsehturm“, schreibt Hauswald. „Magisch Durchgeknallte und Abgedrehte“ findet er hier. Neben den Fotografien, die im Zeitraum von dreißig Jahren entstanden, enthält der Band literarische Annäherungen an den Platz, verfasst von Autorinnen und Autoren aus Ost und West.

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Der Alex ist der Ort für Weltjugendtreffen der FDJ und die Großkundgebung gegen die SED 1989, unter seiner Weltzeituhr haben sich unzählige Pärchen verabredet. Christian Bahr blickt in seinem Beitrag auf die Entstehungsgeschichte des Platzes, die Planungen von Ernst Reuter und Stadtbaurat Martin Wagner in den zwanziger Jahren, die Kriegszerstörungen und die städtebauliche „Amputation“ des Alexanderplatzes in der DDR-Zeit. Thomas Brussig und Jan Eik steuern persönliche Erinnerungen bei, Katja Lange-Müller erzählt vom Centrum-Warenhaus, Lars von Törne lässt den Alex-Architekten Roland Korn zu Wort kommen, Horst Bosetzky verfasst eine Abrechnung mit dem „Toten Platz“.

Zwischen all den Geschichten regen die Fotografien von Harald Hauswald zum Nachdenken an, sichtbar werden die Veränderungen, SED-Werbesprüche kontrastiert er mit  den Menschen auf dem Platz, er fängt auf dem öffentlichen Platz nahezu intime Momente ein.  Auf der Weite des Platzes schafft Harald Hauswald Nähe.

Harald Hauswald, Alexanderplatz, Fotografische und literarische Erinnerungen. Jaron-Verlag, Berlin 2007, ISBN 978-3-89773-568-2,

Über Ulrich Horb

Jahrgang 1955, Journalist und Fotograf in Berlin
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