Dies ist ein Buchhinweis auch in eigener Sache. Denn die neue Broschüre „Otto Nagel – Maler – Publizist – Kulturpolitiker“, die der Verein der Freunde von Schloss Biesdorf im Sommer 2023 herausgegeben hat, enthält u.a. auch die biographischen Notizen zu Otto Nagel, die auf dieser Internetseite in zwölf Folgen erschienen sind.
Dreizehn Autorinnen und Autoren haben jetzt an dieser neuen Veröffentlichung mitgewirkt und aus unterschiedlichen Blickwinkeln verschiedene Aspekte der Lebensgeschichte Otto Nagels beleuchtet. Damit soll der fast in Vergessenheit geratene Künstler und Berliner Ehrenbürger wieder stärker ins öffentliche Bewusstsein gerückt werden. Denn die Anerkennung, die er als Künstler verdient hätte, blieb ihm oft genug durch politische Umstände verwehrt.
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Nagel entstammte einer Weddinger Arbeiterfamilie, seine künstlerische Tätigkeit musste er sich finanziell selbst ermöglichen. In den zwanziger Jahren war er Mitglied der KPD und engagierte sich in ihren kulturpolitischen Vorfeldorganisationen, in der NS-Zeit waren seine künstlerischen Wirkungsmöglichkeiten stark eingeschränkt. Der von Nagel erhoffte Neuanfang in der Nachkriegszeit endete bald im Stalinismus, der auch das künstlerische Wirken reglementieren wollte. Als Präsident der DDR-Akademie der Künste wurde Nagel als Aushängeschild genutzt, im Kalten Krieg aber vom Westen weitgehend ignoriert. 1967 starb Nagel. Auch nach 1989 erfolgte keine wirkliche Aufarbeitung – Nagel wurde kein Teil der gemeinsamen deutschen Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts.
Die Beiträge beleuchten verschiedene Lebensphasen Nagels genauer, sie zeigen aber auch die Lücken der bisherigen Forschung auf. Ralf Forster und Jens Thiel untersuchen Otto Nagels kulturpolitische und publizistische Aktivitäten vor und nach 1945, sie werfen dabei auch die Frage auf, warum bei Nagel, anders als etwa George Grosz nach dessen Besuch in der Sowjetunion, keine Abkehr vom Kommunismus erfolgte, Eine weitere Frage, die sie in ihrem Text stellen, ist Nagels Arbeit während des Nationalsozialismus. So hat er 1942/43 Werke in einer Berliner Kunstausstellung gezeigt, für die eine Mitgliedschaft in der Reichskunstkammer Voraussetzung gewesen sein müsste.
In einem weiteren Beitrag analysiert Forster Otto Nagels Zeit in Potsdam1945 bis 1951. Wolfgang Brauer widmet sich in seinem Beitrag „Zwischen den Mühlsteinen“ den Biesdorfer Jahren Nagels. Ein Zeitzeugendokument ist Jürgen Webers Erinnerung an die Begegnung mit dem Künstler. Webers Mutter arbeitete als Haushaltshilfe im Biesdorfer Domizil Nagels.
Axel Matthies widmet seinen Beitrag dem Blick Nagels auf die Friedrichsgracht. Für das Otto-Nagel-Gymnasium beschreibt Evelyn Schindel den Einfluss des Künstlers auf ihre Schule. Der Literaturwissenschaftler und Künstler Ralf Klausnitzer befasst sich mit der Entwicklung des Wedding und den Motiven, die Nagel darin fand. Wie der Wedding an Nagel erinnert hat, beschreibt der ehemalige Weddinger Volksbildungsstadtrat Bernd Schimmler. Die Geschichte des Studios Otto Nagel, einem Treffpunkt für „künstlerisches Volksschaffen“ in der Grünberger Straße, erzählen Thomas Opitz und Volkmar Götze. Otto Nagels einzigen Roman „Die weiße Taube oder Das nasse Dreieck“ analysiert Literatur- und Kulturwissenschaftlerin Brunhilde Wehinger.
Das Schlusswort von Axel Matthies auf der Festveranstaltung zum 125. Geburtstag von Otto Nagel im Schloss Biesdorf 2018 rundet den Band ab. „Mit unserem heutigen lebendigen Gedenken an Otto Nagel wollen wir auf unser ganzes Erbe, unser umfangreiches kulturelles Gedächtnis hinweisen“, so Matthies. In diesem Sinne ist auch das Buchprojekt zu verstehen.
Otto Nagel – Maler – Publizist – Kulturpolitiker, Herausgeber: Verein der Freunde von Schloss Biesdorf, Berlin 2023, 120 S., zahlr. Illustrationen, ISBN 978-3-00-075335-0, 8 Euro
Das Buch kann bei info@wedding-buecher bestellt werden (zzgl. 2,- Euro Versandkostenpauschale).
Seit 2019 recherchiere ich zum Leben und Werk von Otto Nagel. Als Künstler der Weimarer Republik steht Nagel mit seinen sozialkritischen Bildern in einer Reihe mit Künstlern wie Otto Dix, George Grosz oder Hans Baluschek. Das zeigen zahlreiche Ausstellungen seit 1990.
Auch zum Thema NS-Zeit konnte ich vielfältige Literatur finden. Sicher, es gilt noch viel zu forschen, aber erste Spuren finden sich. Ich habe hierzu einen Artikel auf unserer Webseite für den Künstler Otto Nagel veröffentlicht – ein Denkanstoß:
artist-otto-nagel.de/index.php/forschung/widerstand-in-der-ns-zeit