Heinrich Zille: Wer drückte den Auslöser?

Cover Heinrich Zille – Photographien Berlin 1890 – 1910

Cover Heinrich Zille – Photographien Berlin 1890 – 1910

„Pinselheinrich“ nannten ihn liebevoll Spötter.  Seine Zeichnungen haben das  Bild Berlins geprägt.  Er hat die Hinterhöfe in Charlottenburg, Kreuzberg oder Wedding als Motive erkannt, hat die Kinder beim Spielen auf der Straße gezeichnet, die Armut und Enge in den Mietskasernen  festgehalten. Mit dem Zeichenstift hat er das Berliner „Milljöh“ um 1900 dokumentiert. Nach 1967 erschienen mehrere Veröffentlichungen, die Heinrich Zille als Fotografen zeigen sollten, so auch der von Winfried Ranke eingeleitete Band „Heinrich Zille – Photographien Berlin 1890 – 1910“. Die Urheberschaft Zilles ist allerdings nicht zweifelsfrei nachweisbar. Weiterlesen

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Wirklichkeitsbeschreiber: Der Künstler Otto Nagel (5)

Turiner Straße 10, Wohnhaus von Otto Nagel ab 1926. Foto: Ulrich Horb

Turiner Straße 10, Wohnhaus von Otto Nagel ab 1926. Foto: Ulrich Horb

Viele Werke Otto Nagels sind während der NS-Zeit und im Krieg zerstört worden oder gelten als verschollen. So das 1918 entstandene Ölgemälde „Volksversammlung“, das bis 1933 im Karl-Liebknecht-Haus der KPD hing. Es zeigt eine Menschenmenge, die einem Redner lauscht, der mit hochgerissenen Armen vor einer strahlenden Lichtquelle steht. Dynamisch drängen die Menschen zu ihm. Im Vordergrund steht ein Mann in der Menge, der ein Kind im Arm hält, das sich an ihn klammert. Als Kopfbedeckung trägt der Mann einen Hut, wie ihn auch Otto Nagel auf einem 1919 entstandenen Selbstbildnis trägt. Verschollen ist auch der 1920 entstandene Blick aus einem Fenster  in einen Hinterhof mit einem Arbeiter, „Am Wedding“ betitelt. Oder das Bild „Arbeiterbrautpaar“, 1926 fertiggestellt und einst im Besitz des Museums Stettin:  helle Gesichter vor dunklem Hintergrund mit starrem, wenig zuversichtlichem Blick. Weiterlesen

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Wirklichkeitsbeschreiber: Der Künstler Otto Nagel (4)

Ansicht des Weddingplatzes.

Ansicht des Weddingplatzes.

Walentina Nikitina ist 1925 21 Jahre alt  und auf dem besten Weg, Schauspielerin zu werden. Aufgewachsen ist sie in bürgerlichen Verhältnissen in St. Petersburg, der Stadt, die nun – nach der Revolution – Leningrad heißt.  Walentinas  Vater ist drei Monate vor ihrer Geburt verstorben, auf der Mutter ruhte die Last, für Walentina und ihre fünf Brüder zu sorgen. Walentina wächst umgeben von 3000 Büchern auf, Musik, Theater und Literatur wecken ihre Leidenschaft, nur beim Zeichnen kann sie bei sich keine Begabung erkennen. Weiterlesen

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Wirklichkeitsbeschreiber: Der Künstler Otto Nagel (3)

Straßenschild an der Schulstraße. Foto: Ulrich Horb

(Zum Teil 1 zum Teil 2) Seit er seine Tochter Lotte zu sich genommen hat, lebt auch  Otto Nagel in der Wohnung seiner Mutter und seines Bruders Paul in der Schulstr. 102, nicht weit entfernt von der Reinickendorfer Straße.
Als Jugendlicher hat er seine Mutter porträtiert und gelegentlich, eher heimlich, den respekteinflößenden Vater. Mit Kohle hat er auf Papier kleine Szenen aus seinem Umfeld skizziert. Otto Nagels erste größere Ölbilder und Aquarelle  entstehen 1919. Weiterlesen

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Wirklichkeitsbeschreiber: Der Künstler Otto Nagel (2)

Erinnerungstafeln an den Berliner Künstler Otto Nagel

Erinnerungstafeln an den Berliner Künstler Otto Nagel vom Künstlerkollektiv sara&ralf  (Sara Reichert und Ralf Klausnitzer) an der Reinickendorfer Str. 67

(zum Teil 1) Die exklusive Kunstwerkstatt von Heinersdorff entspricht  so gar nicht den Vorstellungen von Otto Nagel.  Er tat sich selbst leid, schreibt er später im Rückblick: „Meinen geliebten Wedding, die grauen Straßen mit den unzähligen Mietskasernen und den dazwischengeschobenen kleinen Häuschen verlassen! Nicht mit Menschen zusammen sein, die in Haltung und Bewegung waren wie ich selbst.“  Er lernt auch das unterschiedliche Bewusstsein der Arbeiter kennen: Hier die Glasmaler, die sich als Künstler verstehen, sich siezen  und mit langen Haaren, Sammetjackett und einer breiten Künstlerschleife auftreten, dort die bodenständigen Bleiverglaser, die sich duzen und keinen Standesdünkel haben. Weiterlesen

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Berlin 1906: Ein Franzose zeichnet die Stadt

Cover "Berlin wie ich es sah"

Cover „Berlin wie ich es sah“

Mit Neugier und mitunter auch Verwunderung blickt der französische Zeichner Charles Huard bei seinem Berlinbesuch 1906 auf die Stadt. Berlin wächst in atemberaubendem Tempo, Huard lernt eine Stadt im Umbruch kennen. „Berlin, wie ich es sah“ sind seine Eindrücke überschrieben, die 1907 auf Französisch erschienen. Weiterlesen

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Wirklichkeitsbeschreiber: Der Künstler Otto Nagel (1)

Gedenktafel am Geburtshaus von Otto Nagel. Sie wurde hier am 26. September 1974 in Anwesenheit der Witwe Walli Nagel angebracht. Foto: Ulrich Horb

Er hat die Stadt und ihre Menschen im Bild  festgehalten. Eindringliche, ungeschönte Porträts, der Arbeitsalltag, Stadtlandschaften vor ihrer Zerstörung: Die Bilder des Berliner Malers Otto Nagel , vor 125 Jahren im Wedding geboren und aufgewachsen, zeigen eine oft ausgeblendete Realität. Dass Nagel nicht die künstlerische Aufmerksam gewonnen hat, die er verdient hätte, liegt wohl an den politischen Konstellationen seiner Zeit: den Auseinandersetzungen in der Weimarer Republik, der Verfolgung im Nationalsozialismus und schließlich der Zeit des Kalten Kriegs. Und daran, dass sich Otto Nagel nicht verbiegen mochte. Weiterlesen

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Wo sie ruhen: Berühmte Persönlichkeiten auf Berliner Friedhöfen

Cover „Wo sie ruhen“

Sie nehmen eine Fläche von mehr als 1000 Hektar ein, die  224 Berliner Friedhöfe. Das Nachschlagewerk „Wo sie ruhen“ gibt Auskunft  darüber, auf welchen Berliner Friedhöfen bekannte Persönlichkeiten ihre letzte Ruhestätte gefunden haben.

39 Friedhöfe sind mittlerweile geschlossen, auf ihnen finden keine Beisetzungen mehr statt. Aber ihren Charakter haben auch sie bewahrt, die Grabsteine stehen dort weiter. Die meisten offenen Friedhöfe, insgesamt 117, werden von der evangelischen Kirche verwaltet, 86  vom Land Berlin. Weiterlesen

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Wohnungselend 1901-1920: Eine Krankenkasse schlägt Alarm

Cover zum Nachdruck der Wohnungs-Enquete.

„Eine Besserung schlechter Zustände kann nur eintreten, wenn man die bestehenden Missstände aufdeckt, wenn man sie an das Licht des Tages zerrt, damit klar sichtbar wird, wo eingesetzt werden muss, um eine Wendung zum Bessern herbeizuführen.“ Das schrieb 1906 Albert Kohn, Geschäftsführer der Krankenkasse der Kaufleute, Handelsleute und Apotheker in Berlin, die gerade eine bedrückende und schonungslose Dokumentation über die Wohnsituation in der Hauptstadt vorgelegt hatte. Weiterlesen

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DDR-Opposition: Vor der Gründung der SDP

Martin Gutzeit. Foto: Ulrich Horb

Die Gründung der Sozialdemokratischen Partei in der DDR (SDP) hat einen jahrelangen Vorlauf. SDP-Mitbegründer Martin Gutzeit berichtet im Interview über die Zeit vor 1989.

Frage: Als die Mauer gebaut wurde, waren Sie neun Jahre alt. Nimmt man da einen Staat wie die DDR nicht als ganz normal hin? Wie entsteht kritisches Denken?
Martin Gutzeit: Den Mauerbau habe ich sehr bewusst miterlebt. Wir lebten in der Nähe von Cottbus, mein Vater war dort Pfarrer. Gegenüber wohnte der Bäcker. Mit seinen Jungs habe ich immer gespielt. Im Sommer 61 haben sie sich abgesetzt. Den Bäcker hatten sie 1957 wegen eines politischen Witzes für anderthalb Jahre  in den Knast gesteckt. Kurz vor dem Mauerbau sind wir mit der U-Bahn durch West-Berlin gefahren, wir hatten Verwandtschaft in Prenzlauer Berg. Später haben wir erfahren, dass auch sie in den Westen wollten und schon Stück für Stück ihre Sachen hinübergeschafft hatten. Es gab die Kollektivierung der Landwirtschaft, auch da sind viele in den Westen gegangen. Ich habe die Widersprüche sehr unmittelbar erfahren. Weiterlesen

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